Joachim Gauck in Israel:"Gauck hat es geschafft, beide Seiten zufriedenzustellen"

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Betroffenheit und Kritik - Bundespräsident Joachim Gauck habe bei seinem Israelbesuch die richtigen Worte gefunden, sagt Abdallah Frangi. Der persönliche Berater von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sieht vor allem Deutschland in der Pflicht, sich stärker für den Frieden zwischen Israel und den Palästinensern einzusetzen.

Antonie Rietzschel

Abdallah Frangi, 68, ist als persönlicher Berater von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas für außenpolitische Angelegenheiten in Gaza und Ramallah tätig. Lange galt er als das Gesicht und die Stimme der Palästinenser in Deutschland - als Vertreter der PLO in Deutschland knüpfte er Kontakte in die Bundespolitik und warb um Unterstützung beim Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern. Das Ergebnis: 1993 wurde die palästinensische Flagge vor dem Büro Palästinas in Bonn gehisst. Ein Jahr später übergab die Bundesdruckerei die ersten Pässe an die Palästinenserbehörde.

Bis 2005 lebte und arbeitete Abdallah Frangi in Deutschland, zuletzt als Leiter der Generaldelegation Palästinas. Als solcher hielt er auch viele Vorträge, wie hier vor zehn Jahren in der Graf-Stauffenberg-Kaserne in Sigmaringen. (Foto: DPA/DPAWEB)

SZ.de: Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hat heute im Westjordanland eine mit deutschen Mitteln finanzierte Mädchenschule eröffnet. Helfen solche Gesten den Palästinensern wirklich weiter - oder ist das nur Symbolpolitik?

Abdallah Frangi: Wir Palästinenser haben nach der Vertreibung von 1948 nur als Volk überlebt, weil wir immer auf Bildung gesetzt haben. Deshalb haben wir uns in den Flüchtlingslagern selbst weiter gebildet. Das hat uns gerettet. Daher kann ich Ihnen versichern, dass sich die Palästinenser über so ein Geschenk mehr freuen als über Waffen.

SZ.de: Sie leben in Ramallah. Wie ist die Situation in den palästinensischen Autonomiegebieten gerade?

Frangi: Die Lebensbedingungen der Palästinenser sind derartig schlecht, ja entwürdigend, dass es mir schwer fällt, darüber zu reden.

SZ.de: Würden Sie es trotzdem tun?

Frangi: Wir leben noch immer unter einer Besatzungsmacht. Das heißt, die Siedler nehmen sich unser Land, errichten darauf ihre Häuser und behaupten dann, dass es ihnen gehört. Daraufhin ist die israelische Armee verpflichtet, sie zu schützen und ihre Versorgung mit Strom und Wasser zu sichern. So wird unter Aufsicht der israelischen Armee unser Land nach und nach zerstückelt. Es werden Straßen gebaut, die zu den Siedlungen führen, die ein Palästinenser jedoch nicht benutzen darf. Fischer werden von israelischen Booten beschossen, sobald sie sich mehr als 500 Meter vom Ufer entfernen. In Israel sitzen 5000 Palästinenser seit 40 Jahren, zum Teil ohne Anklage, in Haft. Wenn diese Menschen freikommen, sind sie völlig kaputt. So sieht der Alltag der Palästinenser aus. Ich wünsche keinem Israeli, dass er erleiden muss, was wir täglich erleben.

SZ.de: Joachim Gauck hat den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu dazu aufgefordert, bezüglich des Friedensprozesses Zeichen zu setzen. Wie müssten die Ihrer Ansicht nach aussehen?

Frangi: Wir vermissen in Israel einen mutigen Mann, der das Osloer Abkommen umsetzt und die Bildung eines palästinensischen Staates akzeptiert. Wir wollen als gleichberechtigte Partner behandelt werden, das heißt, zu erst einmal muss der Siedlungsbau gestoppt werden. Doch das Gegenteil geschieht: Die Siedlungen werden immer weiter ausgebaut. Das macht die Palästinenser mutlos, nur wenige glauben noch, dass die Israelis mit uns Frieden schließen wollen. Da staut sich gerade viel Frust an.

SZ.de: Glauben Sie denn noch an den Frieden?

Frangi: Ich habe mein ganzes Leben für den Frieden gearbeitet und werde auch weiterhin an diesem Ziel festhalten. Ich glaube, dass die israelische Regierung ihre Einstellung gegenüber den Palästinensern ändern muss. Es findet zur Zeit ein Umdenken in der israelischen Bevölkerung statt, und es gibt Unterstützer, die sich für die Zweistaatenlösung einsetzen und uns ermutigen, die Hoffnung nicht aufzugeben. Schon vor einigen Monaten haben Hunderttausende Israelis gegen die Politik der eigenen Regierung demonstriert. Das heißt, es bewegt sich etwas.

SZ.de: Was bedeutet Gaucks Besuch im Westjordanland für die deutsch-palästinensischen Beziehungen?

Frangi: Joachim Gauck hat es geschafft, beide Seiten zufriedenzustellen und sich klar für das Ende der Siedlungspolitik und die Zweistaatenlösung ausgesprochen. Gegenüber den Israelis hat er seine Freundschaft bekräftigt und tiefen Respekt und Betroffenheit vor der Geschichte gezeigt. Das wird die deutsch-palästinensischen Beziehungen intensivieren.

SZ.de: Müsste sich Deutschland noch stärker engagieren?

Frangi: Natürlich, je mehr sich Deutschland und die Europäer für den Frieden im Nahen Osten einsetzen, desto größer ist die Chance, dass er umgesetzt werden kann. Mir ist es ein Anliegen, dass Deutsche, Europäer, mehr Einsatz für den Frieden zeigen, denn der Frieden im Nahen Osten liegt auch im Interesse der Europäer und nicht nur der USA.

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