Jemen:Präsident verliert den Rückhalt seines Stammes

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Nach dem Massaker an Demonstranten mit bis zu 52 Toten wenden sich mächtige Kleriker gegen Salih. Der entlässt seine Regierung.

Rudolph Chimelli

Jemens Präsident Ali Abdullah Salih hat nach dem Massaker an regimefeindlichen Demonstranten, bei dem am Freitag in Sanaa bis zu 52 Menschen getötet und mehr als hundert verletzt wurden, den Rückhalt in seinem eigenen Stammesverband verloren. Scheich Sadik al-Ahmar, der Chef der Hasched, zu dem auch Salihs Stamm gehört, hat den Präsidenten am Sonntag aufgefordert, sich dem Verlangen des Volkes zu fügen und ohne Widerstand zu gehen. Nach einem Treffen im Haus des Scheichs, der einem der größten Stammesverbände des Landes vorsteht, erklärten mehrere angesehene Kleriker den Präsidenten als verantwortlich für das Massaker. Sie riefen Soldaten und Sicherheitskräfte dazu auf, keine Befehle zum Töten oder zur Unterdrückung von Demonstrationen mehr zu befolgen.

Salih, der unmittelbar nach dem Blutbad den Notstand ausgerufen hatte, erklärte den Sonntag zum nationalen Trauertag für die "Märtyrer der Demokratie". Er versuchte damit, sich von dem Massaker zu distanzieren, das Sympathisanten des Regimes angerichtet hatten, indem sie von den Dächern auf die Kundgebung schossen. Der Opposition warf Salih vor, sie habe durch "Anstiftung zum Chaos" zu dem Unglück beigetragen. Nicht nur bei den islamischen Würdenträgern und Scheich Sadik-al-Ahmar fand diese Versicherung keinen Glauben.

Am Sonntagabend entließ Salih dann seine Regierung. Kurz zuvor war die Ministerin für Menschenrechte, Huda al-Baan, aus Protest gegen die Angriffe auf die Demonstranten zurückgetreten. Sie war schon das dritte Regierungsmitglied, das Salihs Kabinett in der vergangenen Woche verließ. Zuerst war der Minister für die religiösen Stiftungen, Hamud al-Hattar, zurückgetreten. Ihm folgte am Freitag wegen der "ungerechtfertigten Gewaltanwendung" der Minister für Tourismus, Nabil al-Fakih. Ihre Posten legten auch der jemenitische Botschafter in Beirut, Feisal Amin Aburass, und der Leiter der offiziellen Nachrichtenagentur Saba, Nasser Taha Mustafa, nieder.

Zur Beisetzungsfeier für einen Teil der Opfer versammelte sich am Sonntag trotz Verbots wieder eine Menschenmenge auf dem Platz vor der Universität, wo die Protestbewegung seit dem 21. Februar ein Lager unterhält. Sie rief "Nieder mit dem Schlächter" und forderte den Rücktritt Salihs, der seit 32 Jahren regiert. Mehrere Oppositionsparteien, die sich am Trauerzug beteiligten, gaben bekannt, sie verlangten jetzt nicht mehr Reformen, sondern den Regimewechsel.

Zuletzt hatte Salih noch angeboten, durch eine Verfassungsänderung die Vollmachten des Parlaments zu stärken. Dies komme zu spät, und dem Staatschef sei ohnehin nicht zu trauen, hieß es bei der Opposition. Zu Solidaritätskundgebungen kam es auch in Aden, wo die Polizei vier Demonstranten durch Schüsse verletzte, sowie in der Hafenstadt Hodeida, in Taiz, Ibb, Dhamar und verschiedenen Orten des südjemenitischen Hadramaut.

© SZ vom 21.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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