Ein wichtigerer Grund für die verzögerten Rettungsarbeiten ist jedoch, dass die Regierung von der Katastrophe am Atommeiler Fukushima-1 vollkommen in Anspruch genommen war. Zuerst hatte sie die Störungen an den Reaktoren unterschätzt und den Beschwichtigungen der Betreibergesellschaft geglaubt. Damit verlor sie wertvolle Zeit. Die Erkenntnis, dass die Betreiber stümperten und es zum atomaren GAU kommen könnte, überrumpelte sie geradezu.
Spätestens, seitdem sie zu den Verantwortlichen durchgedrungen ist, dreht sich in Tokio alles um Fukushima-1. Auch die überraschend geringe Zahl Freiwilliger wird mit der Angst vor Verstrahlung erklärt. Allerdings hinderten auch bürokratische Hürden eine schnelle Hilfe. Die Moskauer Nachrichtenagentur Interfax meldete, auf russischen Flughäfen hätten seit Mittwoch mehrere beladene Iljuschin-IL-76-Frachter bereitgestanden, mit denen Moskau Medikamente, Wolldecken und weitere Hilfsgüter liefern wollte.
Japanische Behörden brauchten jedoch zweieinhalb Tage, um die Flüge zu bewilligen. Dann mussten die Maschinen auch noch nach Tokio fliegen, anstatt - wie von den Russen vorgeschlagen - in die Stadt Niigata, die näher am Erdbebengebiet liegt. Und erst am Freitag erlaubte das Gesundheitsministerium ausländischen Ärzten, im Katastrophengebiet Patienten zu behandeln.
Die Hilfe der Lokalregierungen ist oft effizienter. Die Stadt Osaka zum Beispiel hat 23 Feuerwehrmänner nach Kamaishi geschickt und 500 Sozialwohnungen für Überlebende bereitgestellt, die ihr Haus verloren haben. Sie können die Wohnungen sofort beziehen und dort ein Jahr kostenlos bleiben. Dafür müssen sie nur ein Formular ausfüllen.
Viele Städte tun Ähnliches: Saitama nördlich von Tokio etwa hat seine große überdachte Sportarena in einen Zufluchtsort verwandelt. Am Samstag zogen 1900 Überlebende aus dem Städtchen Futaba, das nur vier Kilometer vom Atommeiler entfernt lag und zu 90 Prozent zerstört ist, in die Sportanlage ein. Schon am Sonntag begann die Gemeindeverwaltung von Futaba im Stadion, an improvisierten Schreibtischen zu arbeiten. Sie zahlt Renten aus, stellt den Überlebenden verlorengegangene Personal- und Versicherungsausweise aus und bemüht sich, Kontakte zwischen Verwandten herzustellen. Dann organisierte sie für die Menschen aus Futaba ein Bad, wo sie zum ersten Mal seit dem Tsunami warm duschen konnten.