Japan:Runter von der Weißen Liste

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Tokio verschärft den Handelsstreit mit Südkorea.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nein zu japanischen Produkten, heißt es in einem Supermarkt. (Foto: Chung Sung-Jun/Getty Images)

Der Streit zwischen Südkorea und Japan eskaliert weiter. Am Freitag strich Japan Südkorea von seiner "Weißen Liste" der Handelspartner, denen Tokio vertraut. In Länder, die auf der Weißen Liste stehen, dürfen militärisch relevante Güter bedenkenlos exportiert werden. Bereits Anfang Juli hatte die Regierung von Premier Shinzō Abe Exportkontrollen auf Spezialchemikalien eingeführt, die für Südkoreas Elektronikindustrie wichtig sind. Mit der Streichung von der Weißen Liste dürfte der Export weiterer solcher Substanzen behindert werden. Allenfalls werden sogar internationale Zulieferketten unterbrochen.

Der südkoreanische Präsident Moon Jae-in nannte Tokios Schritt "äußert rücksichtslos". Zur Vergeltung strich Südkorea am Freitag Japan seinerseits von seiner "Weißen Liste". Das wird einzelne japanische Firmen treffen, aber anders als in Südkorea keine ganze - und für die Wirtschaft lebenswichtige - Branche. Seoul droht nun, es werde Erkenntnisse seines militärischen Geheimdienstes künftig nicht mehr mit Japan teilen. Erst kürzlich hatte Japans Regierung betont, diese Zusammenarbeit sei ihr trotz der Konflikte wichtig. Südkorea ist über Nordkorea besser informiert, als dies Japan ist.

In Südkorea werden japanische Waren boykottiert, Flüge sind gestrichen worden

Am Freitag versuchte US-Außenminister Mike Pompeo in Bangkok zu vermitteln, aber Tokio gab sich hart. Ein Vertreter des japanischen Außenministeriums sagte: "Wir können keinerlei Kompromiss machen, nicht einmal einen Millimeter." Vor zwei Wochen warf Außenminister Tarō Kōno dem südkoreanischen Botschafter in Tokio vor laufenden TV-Kameras undiplomatisch aggressiv vor, die südkoreanische Regierung stülpe die internationale Nachkriegsordnung um.

Korea war seit 1910 eine Kolonie Japans. Tokio beutete die Halbinsel brutal aus und unterdrückte Sprache und Kultur der Koreaner. Im Krieg rekrutierte Japan koreanische Zwangsarbeiter und -prostituierte. 1965 nahmen die beiden Länder mit einem Grundlagenvertrag diplomatische Beziehungen auf. Japan zahlte Südkorea Wirtschaftshilfe und gewährte ihm Aufbaukredite. Damit, so steht es in jenem Vertrag, seien alle Entschädigungsforderungen abgegolten.

Doch 1965 war Südkorea eines der ärmsten Länder der Welt, Japan dagegen bereits wieder erstarkt. Mit Diktator Park Chung-hee regierte in Seoul zudem ein ehemaliger Offizier der japanischen Armee. Viele Koreaner meinen daher, Tokio habe Seoul einen einseitigen Vertrag diktiert. Zudem sind seither Fakten ans Licht gekommen, etwa die Verschleppung von Koreanerinnen in japanische Feldbordelle, die von Japans Armee "Trostfrauen" genannt wurden. Inzwischen gehört auch Südkorea zu den Wirtschaftsmächten. Als solche will es von Tokio auch behandelt werden, nicht zuletzt mit Blick auf die Geschichte. Japan sollte endlich Reue zeigen, heißt es in Seoul. Darauf reagiert Tokio zusehends genervt, zumal Seoul sich auch an spätere Abkommen nicht halte, etwa an die finanzielle Vereinbarung zu den "Trostfrauen", zu der US-Präsident Barack Obama Abe und die damalige Präsidentin Park Geun-hye 2014 gezwungen hatte.

Tokio hat schon früheren koreanischen Regierungen vorgeworfen, sie schürten den Unmut gegen Japan, um ihre Macht zu festigen. Im Gegenzug hält Seoul Abe Ähnliches vor. In Tokio hört man dieser Tage noch, das sei ein Streit der Regierungen. Die Menschen beider Länder verstünden sich gut. Doch die Medien schüren den Konflikt. In Seoul boykottieren viele Koreaner japanische Produkte. Koreanische Fluglinien mussten bereits Flüge nach Japan streichen.

Der jüngste Streit ist ausgebrochen, weil das Oberste Gericht Südkoreas die Entschädigungsforderungen einiger Zwangsarbeiter gegenüber japanischen Firmen guthieß. Aus Tokios Sicht verstößt das gegen den Vertrag von 1965. Das Gericht dagegen befand, die Kolonisierung Koreas sei illegal gewesen, also gelte die Vereinbarung zwischen den Regierungen für Forderungen individueller Opfer nicht.

© SZ vom 03.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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