Japan:Osaka ist anders

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Die Gipfelstadt will verloren gegangene Bedeutung zurückgewinnen - vor allem gegenüber Tokio. Die Rivalität zur Hauptstadt ist groß.

Von Christoph Neidhart, Osaka

Die Straßen im Zentrum von Osaka sind stiller als an Neujahr, an großen Kreuzung stehen Polizieibusse, an kleineren einzelne Polizisten. Sie wurden aus allen Präfekturen nach Osaka abkommandiert, 32 000 Einsatzkräfte sind es. Mit Straßensperren blockieren sie die Auffahrten zur Stadtautobahn, die für den normalen Verkehr bis Sonntag geschlossen bleibt. Tobita Shinchi, der größte Rotlichtbezirk Westjapans, bleibt ebenfalls zu: Angeblich freiwillig, "um Störungen zu vermeiden", wie die Vereinigung von 159 Kneipen und Salons bekannt gab. Das letzte Mal war es in Tobita Shinchi vor 30 Jahren still, als Kaiser Hirohito beerdigt wurde. Auch 700 Schulen und die meisten Kindergärten wurden dichtgemacht. Osaka, Japans zweitgrößte Stadt, ist geschlossen, denn sie beherbergt den G20-Gipfel der mächtigsten Länder Welt.

Im Messe- und Konferenzzentrum Intex auf Sakashima, einer künstlichen Insel in der Bucht von Osaka, wo es sonst ruhiger ist, als die Stadtväter es sich wünschen, wurde es am Donnerstag dagegen immer hektischer. 30 000 Teilnehmer kommen zum Gipfel, davon 7000 Journalisten.

Bilaterale Treffen sind diesmal wichtiger als der Gipfel als solches

Die bilateralen Treffen, die bereits am Mittwoch begannen, drohen dieses Jahr allerdings, den Gipfel als solches in den Hintergrund zu drängen. Chinas Präsident Xi Jinping trifft Donald Trump, um mit ihm über den Handelskrieg zu reden. Der französische Präsident Emmanuel Macron traf Japans Premier Shinzo Abe, anschließend kündigten die beiden in geradezu anachronistischer Diktion einen "Fünfjahresplan" an, mit sie ihre Partnerschaft intensivieren wollen. Der Plan soll auch den Freihandel und das Klima einbeziehen.

Xi Jinping landete am Donnerstag Mittag im Regen eines Taifuns, der sich von Okinawa auf Osaka zu bewegt. Zuerst traf er den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in, dem er versicherte, Peking bemühe sich sehr um die weitere Verbesserung der Beziehungen zu Seoul und werde sich für den Frieden auf der koreanischen Halbinsel einsetzen. Zugleich beschwerte sich Xi bei Moon über das in Korea stationierte US-Raketenabwehrsystem THAAD. Der Koreaner entgegnete, dieses könnte abgebaut werden, sobald Nordkorea atomar abgerüstet habe.

Anschließend war Xi bei Abe zum Abendessen. Die Beziehungen zwischen Japan und China sind so gut wie seit Jahren nicht. Das kann man vom Verhältnis zwischen Südkorea und Japan nicht sagen. Moon und Abe, die sehr viele bilaterale Probleme zu besprechen hätten, gehen sich in Osaka aus dem Weg, ein Zweiertreffen ist nicht vorgesehen.

Die Fünfmillionenstadt wird von Rechtspopulisten regiert

Osaka war über Jahrhunderte hinweg die Wirtschaftsmetropole Japans - und seine Bank. Seit dem 17. Jahrhundert verwaltete die Stadt Nippons Steuern, die damals in Form von Reis bezahlt wurden. Der 1697 eröffnete Reismarkt gilt als älteste Börse der Welt. Von 1710 an wurden hier auch Futures gehandelt, Wertpapiere, die auf den künftigen Reispreis spekulierten. In den letzten Jahrzehnten hat Osaka jedoch zusehends an Bedeutung verloren. Tokio reißt alles an sich, wie die Einwohner von Osaka in ihrem markanten Dialekt klagen: zuletzt die Olympischen Spiele, für die sich vor einigen Jahren auch Osaka beworben hatte. Der Missmut über Tokio trägt dazu bei, dass die Fünfmillionenstadt von Rechtspopulisten regiert wird. Sie versprechen, Osaka wieder zu alter Größe zu führen. Der G20-Gipfel soll Osaka helfen, die Stadt international bekannter zu machen.

Osaka ist anders. In Tokio steht man auf der Rolltreppe links; wer vorbei will, geht rechts. In Osaka steht man rechts. Angeblich hatte die Stadtverwaltung ihre Bürger vor der Weltausstellung 1970 aufgefordert, zum Rechtsverkehr auf den Rolltreppen überzugehen. Linksverkehr würde die internationalen Expo-Gäste verwirren.

Die Tokioter reden, wenn sie ausnahmsweise ihre Meinung sagen, nicht gut über die Menschen in Osaka. Sie seien laut und berechnend, sie seien Händlernaturen, die immer ans Geld dächten. Außerdem seien viele Einwohner Osakas eigentlich Koreaner - die meisten in der dritten oder vierten Generation. Sie sind völlig integriert und beleben die Stadt. Osaka gilt als kommunikativ und offen, was vielen Tokiotern nicht gefällt. "Fremde Leute schauen einem in die Augen" , heißt es dann. Das tun sie in Osaka tatsächlich, zuweilen lächeln sich Fremde sogar an.

Die Rivalität zeigt sich auch im Baseball, Japans beliebtester Sportart. Osaka blickt missmutig auf die "Yomiuri Giants" in Tokio, die als reich und arrogant gelten, eine Art Rekordmeister. Osakas "Hanshin Tigers" dagegen verstehen sich als schlauere Underdogs. In den letzten Jahren sind freilich diese beiden ältesten Profiklubs Japans ohne Titel geblieben.

© SZ vom 28.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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