Japan:Fukushima-Manager werden angeklagt

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Drei Ex-Manager des Kraftwerkbetreibers Tepco sollen wegen Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit der Atomkatastrophe von Fukushima vor Gericht. Das entschied ein Rechtsausschuss.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Viereinhalb Jahre nach der Nuklear-Katastrophe von Fukushima werden drei frühere Manager der Betreiberfirma Tepco angeklagt, weil sie die Gefahr eines Tsunami vorsätzlich unterschätzt haben sollen. Das hat der fünfte Tokioter Strafverfolgungsausschuss beschlossen. Dem ehemaligen Konzernchef Tsunehisa Katsumata, der im Krisenmanagement völlig versagte und schließlich abtauchte, und seinen beiden Stellvertretern Sakae Muto und Ichiro Takekuro wird Vernachlässigung ihrer beruflichen Pflichten mit Verletzungs- und Todesfolgen vorgeworfen. Alle drei waren im Konzern mitverantwortlich für das Sicherheitsdispositiv des Atomkraftwerks und für etwaige Notfallmaßnahmen. 44 Patienten eines Krankenhauses etwa vier Kilometer vom Kraftwerk entfernt starben an den Folgen der Evakuierung.

Der Vorwurf, Tepco habe um die Gefahr eines massiven Tsunamis, dem die Anlage nicht standhalte, gewusst, ist unumstritten. Es gab Warnungen, der Konzern diskutierte über eine Studie, wonach der Meiler Fukushima I selbst einem Zehn-Meter-Tsunami nicht standhalten konnte. Dennoch hat der Staatsanwalt zweimal nach Voruntersuchungen von einer Anklage abgesehen.

In Japan genießt die Staatsanwaltschaft eine große Autonomie, sie versteht sich als oberster Hüter des Rechts und entscheidet selbst, wer strafverfolgt wird und wer nicht. Um ihren Nimbus nicht zu gefährden, bringt sie nur Fälle vor Gericht, die sie mit großer Wahrscheinlichkeit gewinnt. Die Verurteilungsrate beträgt fast 99 Prozent. Allerdings wird den Staatsanwälten auch unterstellt, sie missbrauchten ihre Autonomie für politische Zwecke.

Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber die Strafverfolgungsausschüsse, die zuvor nur Überwachungsfunktionen hatten, vor elf Jahren ermächtigt, eine Staatsanwaltschaft zu einer Anklage zu zwingen. Bisher wurde von dieser sogenannten Demokratisierung der Strafverfolgung etwa zehnmal Gebrauch gemacht - jüngst im Fall Fukushima. Aktivisten aus der Präfektur Fukushima gaben sich nach der Entscheidung des Ausschusses optimistisch: Im Gerichtssaal müssten die Manager endlich die Wahrheit sagen.

© SZ vom 03.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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