Japan:Der Tenno darf abdanken

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Kronprinz Naruhito, 57, gilt als ähnlich bescheiden und verbindlich wie sein Vater Akihito. (Foto: Toshifumi Kitamura/AFP)

Eine Regierungskommission in Tokio beschließt: Kronprinz Naruhito wird im Mai 2019 der neue Kaiser Japans. Er gilt als ähnlich besonnen wie sein 83-jähriger Vater.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Kronprinz Naruhito wird am 1. Mai 2019 der 126. Kaiser Japans. Am Vortag wird sein Vater Akihito abdanken. Darauf hat sich der kaiserliche Rat unter der Leitung von Premier Shinzo Abe am Freitag geeinigt. Der 83-jährige Tenno darf endlich gehen, aber obwohl bis vor 200 Jahren öfter Kaiser abtraten, soll das eine Ausnahme bleiben, das entsprechende Gesetz gilt nur für ihn.

Prinz Akishino, der jüngere Bruder des Kronprinzen, sprach wohl im Namen der ganzen Familie, als er sagte, er sei "erleichtert", dass die Abdankung endlich feststehe. Er hoffe, seine Eltern, Kaiser Akihito und Kaiserin Michiko "werden sich dann erholen und sich Zeit für sich gönnen". Akishino versicherte, sein Vater werde nach der Abdankung keinerlei öffentliche Funktionen mehr übernehmen und die Autorität Naruhitos somit nicht beeinträchtigt.

Der kaiserliche Rat hatte um den Titel des abgedankten Tenno gefeilscht, sich schließlich aber an der Geschichte orientiert. Der alte Tenno wird zum "Joko", oder in der Langform zum "Daijo Tenno". Das Rücktrittsdatum muss vom Kabinett und vom Parlament noch gebilligt werden. Aber das ist Formsache.

Akihito hat die Japaner mit seinem besonnenen Naturell für das nach dem Zweiten Weltkrieg umstrittene Kaiserhaus zurückgewonnen. Der Tenno darf sich politisch nicht äußern, aber er hat es stets verstanden, sein Mitgefühl mit den kleinen Leuten, den Schwachen und Benachteiligten zu zeigen, gerade auch mit Katastrophen-Opfern wie nach dem Tsunami im März 2011. Damit wurde er zu einer moralischen Autorität. Er legte auch Wert darauf, den Koreanern und Chinesen seine Sympathie zu bekunden. Damit hat er mehr für die noch längst nicht vollzogene Versöhnung der Völker Ostasiens getan als alle japanischen Politiker zusammen. Akihito setzte sich stets von den nationalistischen Regierungen Japans ab - zuweilen zu deren Mißvergnügen, was allerdings nie ein Politiker öffentlich zu sagen gewagt hätte.

Der heute 57-jährige Kronprinz Naruhito lebt diese Bescheidenheit und Verbindlichkeit weiter, zuweilen wirkt er fast scheu. Er studierte Geschichte in Tokio und Oxford, wo er mit einer Master-Arbeit über den Schiffsverkehr auf der Themse im 18. Jahrhundert abschloss. Die Geschichte des Verkehrs habe ihn seit seiner Kindheit interessiert, sagte er einmal: Weil ihm sein Leben wenig Gelegenheit gebe, "frei hinauszugehen", seien ihm Straßen etwa auf Landkarten "wertvolle Brücken ins Unbekannte." Japans Kaiserliche dürfen den Palast nicht unbegleitet und unorganisiert verlassen. Jeder ihrer Schritte wird vom Hofamt choreographiert. Naruhito zeigte sich einmal überrascht über die englische Queen, die "ihren Tee selber eingießt und Sandwiches serviert", wie er notierte.

Im Jahr 1993 hat Naruhito die Karriere-Diplomatin Masako Owada geheiratet, sie wird die nächste Kaiserin. Allerdings rätseln die Japaner, welche Rolle sie spielen wird. Masako lebte als Diplomatenkind unter anderem in Moskau und New York. In Tokio besuchte sie eine katholische Privatschule und studierte dann in Harvard Ökonomie. Als hätte Masako ihre Schwierigkeiten vorausgeahnt, sperrte sie sich lange gegen eine Heirat ins Kaiserhaus. Statt es öffnen zu können, wie sie gehofft und wie ihr Naruhito versprochen haben mag, wurde die moderne dynamische Frau vom Hofamt in die alten Muster gezwungen, so schreibt es der Australier Ben Hill in seiner Biografie Masakos. Seit Jahren soll sie an Depressionen leider; offiziell bestätigt wurde das allerdings nie. Naruhito nimmt die meisten seiner offiziellen Termine alleine wahr.

Japans Traditionalisten waren von Anfang gegen die Karrierefrau, die fünf Sprachen spricht. Sie störten sich sogar daran, dass sie mit ihren 161 cm ein paar Zentimeter größer ist als der künftige Kaiser. Sie hatten auch schon Michiko abgelehnt, Naruhitos Mutter, die katholisch aufgewachsen war. Und die nach ihrer Heirat ins Kaiserhaus ebenfalls schwere Jahre durchmachte.

Masakos wichtigste Aufgabe war es aus Sicht der Traditionalisten, Naruhito einen Sohn zu gebären. Die beiden haben aber nur eine Tochter, die 16-jährige Prinzessin Aiko. Das hat den Druck auf die 53-jährige Kronprinzessin noch erhöht. Das Gesetz lässt, obwohl es in der Geschichte Japans einige Kaiserinnen gab, nur männliche Tennos zu. Außer Naruhito leben gegenwärtig nur zwei mögliche Thron-Erben: sein jüngerer Bruder Akishino und dessen Sohn, der elfjährige Hisahito.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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