Japan:Aufstand auf der Insel

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Nein zum Bau eines neuen Militärstützpunktes: Demonstranten in Tokio protestieren gegen die Präsenz der USA. (Foto: Shizuo Kambayashi/AP)

Der Gouverneur von Okinawa will einen Umzug des amerikanischen Stützpunktes verhindern - und klagt gegen die eigene Regierung von Premier Abe.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Es wirkt zunächst wie ein regionaler Streit auf einer japanischen Insel, aber es geht auch um die Interessen der USA und Japans. Der amerikanische Luftwaffenstützpunkt Futenma auf der Insel Okinawa soll in ein weniger dicht besiedeltes Gebiet verlegt werden. Doch die Kommunalbehörden von Okinawa wollen mit einer Klage genau dies verhindern. Viele Einwohner wollen, dass das US-Militär ihre Insel ganz verlässt. Mehr als die Hälfte der in Japan stationierten 50 000 Soldaten sind auf Okinawa stationiert. Gouverneur Takeshi Onaga gewann 2014 die Gouverneurswahl, nachdem er sich im Wahlkampf gegen die US-Präsenz auf der Insel ausgesprochen hatte. Nun hat Onaga Klage gegen die japanische Zentralregierung von Premier Shinzo Abe eingereicht. Es ist das erste Mal in Japan, dass Lokal- und Zentralregierung einen Streit vor Gericht ausfechten.

Bereits vor zwanzig Jahren hatten Washington und Tokio vereinbart, dass der Stützpunkt Futenma in Ginowan verlegt werden müsse. Der extreme Fluglärm, die Verschmutzung und Gefährdung könne den Anwohnern nicht länger zugemutet werden. Der Flughafen liegt mitten im Wohngebiet des Städtchens Ginowan, er grenzt an die Internationale Universität von Okinawa. 2004 stürzte ein Hubschrauber auf deren Campus ab. Dennoch geht der Betrieb unverändert weiter.

Die USA sind bereit, auf Futenma zu verzichten, sofern Japan eine Alternative bereitstellt. Geplant ist, auf einem naturgeschützten Korallenriff in der Bucht von Henoko einen neuen Militärflughafen zu bauen. Vergangenes Frühjahr begann die japanische Regierung mit Sondierbohrungen, im August verfügte Onaga jedoch einen Baustopp. Die Einwohner von Okinawa haben sich von Anfang an gegen Henoko gewehrt; auch ihre Gouverneure.

Schon Onagas Vorgänger Hirokazu Nakaima war gegen Henoko. Bis er vor zwei Jahren von Premier Abe mit hohen Subventionsversprechen über den Tisch gezogen wurde und dem Druck nachgab. Das kostete ihn die Wiederwahl. Bis vor einigen Jahren wusste die Zentralregierung wenigstens Okinawas Unternehmer hinter sich, denn sie machten mit den US-Militärs Geschäfte. Seit die Inseln sich auch in China als Urlaubsziel vermarkten, haben sich die Loyalitäten der lokalen Wirtschaft verschoben. Die US-Truppen sind nun auch ökonomisch eine Belastung.

Sogar Washington deutet Flexibilität an, doch Japans Premier Abe bleibt stur

Die Mehrheit der Experten auf beiden Seiten des Pazifik ist sich einig: Henoko wird nicht gebaut werden können. Inzwischen deutet sogar Washington Flexibilität an; der frühere Vize-Verteidigungsminister Richard Armitage, einst der hartnäckigste Verfechter von Henoko, fordert von der japanischen Regierung Alternativ-Vorschläge. Doch Abe bleibt stur. Obwohl Okinawas Wähler seinen Liberaldemokraten (LDP) mehrere herbe Abfuhren erteilten - bei den Unterhauswahlen vor einem Jahr wurde kein einziger LDP-Kandidat gewählt - meint er, der Widerstand werde allmählich abflauen. Mit der Durchsetzung von Henoko will Abe Washington Bündnistreue beweisen. Allerdings zeichnet sich bereits die nächste Abfuhr ab. Im Januar wählt Ginowan seinen Bürgermeister, erwartet wird ein Sieg des Herausforderers, ein expliziter Henoko-Gegner.

Okinawa steckt in einer Sackgasse, das Patt um Futenma dauert nun schon 20 Jahre. Klage und Gegenklage werden den Konflikt weiter hinziehen. Derweil radikalisieren sich die Gegner; und in Futenma geht der gefährliche Flugbetrieb weiter. In den vergangenen Monaten sind auf Okinawa Stimmen laut geworden, das Archipel sollte sich von Tokio lösen. Ein Erstarken dieser Bewegung wäre für die Militärplaner in Washington und Tokio ein Albtraum.

In der Sorge um eine Eskalation, die die Beziehungen zwischen Washington und Tokio belasten könnten, haben der Amerikaner Mike Mochizuki und der Japaner Akikazu Hashimoto, zwei langjährige Okinawa-Experten, kürzlich ein Buch vorgelegt, in dem sie Alternativen zu Henoko vorschlagen: Mochizuki, Professor an der George Washington University in Washington D.C., zerpflückt "die fünf Mythen um Henoko". "Für die Verteidigung Japans ist Kadena (auf Okinawa) der wichtige Stützpunkt, dazu der Nuklear-Schild." Henoko sei dafür ohne Bedeutung. Die Einführung von Hubschraubern, die auch senkrecht starten können, befreie die US-Marines von der Notwendigkeit, in der Nähe eines Flugfeldes stationiert zu sein. Damit erübrige sich ein neuer Stützpunkt.

Die beiden Professoren zeigen in ihrem Buch, wie mit einer Umstrukturierung der US-Streitkräfte auf Okinawa auf Futenma verzichtet werden könnte, ohne dass Ersatz gebaut werden müsste. Ex-US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bezeichnete Futenma bereits 2003 als "gefährlichsten Militärstützpunkt der Welt", der geschlossen werde müsse. Doch der Flugbetrieb geht unvermindert weiter. Und falls Henoko gebaut werden sollte, noch mindestens weitere zehn Jahre.

Dabei sind sich die Experten beider Länder einig: Ein weiterer Unfall gäbe der Bürgerbewegung auf Okinawa so viel Auftrieb, dass womöglich weitere US-Stützpunkte schließen müssten. Gleichwohl beharrt Abe auf Henoko. Professor Mochizuki fragt sich, warum? Vielleicht spekuliere die Regierung darauf, dass die Amerikaner Henoko nach einer weiteren Truppenreduktion aufgeben und Tokio den neuen Stützpunkt heimlich für sich selber bauen könnte.

© SZ vom 05.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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