Jamaika-Verhandlungen:Tonnenschweres Problem

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Der Weltklimagipfel in Bonn setzt auch die Jamaika-Verhandler unter Druck. Die Erfüllung der vereinbarten Klimaziele durch Deutschland ist nicht in Sicht.

Von M. Balser und M. Bauchmüller, Berlin/Bonn

Wie groß die Probleme sind, die die neue Bundesregierung lösen muss? Kaum ein anderer Ort liefert in diesen Tagen darauf so präzise Antworten. Eine andere Energieversorgung, ein neues Verkehrssystem: Auf dem Weltklimagipfel in Bonn beraten Regierungen darüber, wie die Ziele des Pariser Klimaabkommens umgesetzt werden können. Einem möglichen Regierungsbündnis von CDU/CSU, FDP und Grünen wird vorgeführt, welcher Druck zum Wandel weltweit besteht. Die Süddeutsche Zeitung fasst zusammen, wo sich die Parteien einigen müssen - und wo das besonders schwer werden dürfte.

Klima und Energie

Beim Klima wiegt das Problem genau 150 Millionen Tonnen. So viel fehlt derzeit zur Erfüllung der deutschen Klimaziele für 2020: Wollte Deutschland die einhalten, dürften Fabriken, Kraftwerke und Haushalte nur noch 750 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen, ein Minus von 40 Prozent im Vergleich zu 1990. Für die Grünen ist die Frage nicht verhandelbar. Nur: Wie lassen sich auf die Schnelle 150 Millionen Tonnen CO₂ einsparen? "Das Einzige, was sich in drei Jahren noch machen lässt, wäre die Stilllegung von Kohlekraftwerken", sagt Susanne Droege, Klimaexpertin bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Die Grünen verlangen genau das, die FDP ist strikt dagegen. Stromknappheit, höhere Preise, Abhängigkeit vom Ausland - Argument um Argument fuhren die Liberalen zuletzt auf. Dabei wird derzeit so viel Strom erzeugt, dass Deutschland massiv Elektrizität exportiert, von Mangel und Abhängigkeit keine Spur. "Manche der Vorschläge lassen erkennen, dass die FDP nicht auf der Höhe der Debatte ist", sagt Droege. Kompromisslinien gäbe es. Die Grünen könnten darauf verzichten, die 20 Kraftwerke exakt zu benennen; stattdessen könnte den Betreibern überlassen bleiben, welche Meiler sie stilllegen. Damit bliebe ein Hauch unternehmerischer Freiheit bestehen. Beim Thema Klima steckt die FDP im Dilemma. Denn zum Regierungsziel wurden die 40 Prozent erstmals 2009 - im Koalitionsvertrag von Union und FDP.

Elektroautos und Fahrverbote

Deutschland hinkt den eigenen Zielen beim Umbau des Verkehrs stark hinterher. Um die Hersteller beim eigenen Wandel anzutreiben und international den Anschluss zu halten, hatte die Regierung das Ziel ausgegeben, 2020 eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen zu bringen. Doch alle Förderprogramme halfen nichts, das Ziel wird nach heutigem Stand deutlich verfehlt. Bislang sind erst weniger als 50 000 reine Elektroautos zugelassen. Um die Elektromobilität zu forcieren, muss eine neue Regierung vor allem den Aufbau der Infrastruktur für Elektroautos - also mehr Ladesäulen - vorantreiben. Allerdings ist bislang unklar, wer dafür zahlen muss - Hersteller oder Politik.

Infolge des Abgasskandals drohen zudem, gerichtlich verordnete Diesel-Fahrverbote in deutschen Großstädten zum Problem zu werden. Weil Grenzwerte nicht eingehalten werden, könnten Richter in Städten wie München oder Stuttgart in einigen Monaten bestimmte Autos aussperren, um Anwohner zu schützen. Organisatorisch können Städte das kaum umsetzen - ihnen fehlen Vorgaben aus Berlin, etwa ein Plakettensystem.

© SZ vom 08.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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