25 Jahre Super-GAU von Tschernobyl:Protokoll einer Katastrophe

Lesezeit: 2 min

Leichtsinn und Bedienungsfehler: Die nukleare Katastrophe von Tschernobyl war auch ein Ausdruck menschlichen Versagens. Ein Überblick über den Ablauf der Ereignisse.

Matthias Kolb

Es war ein Tag, der die Welt veränderte: Am 26. April 1986 explodierte Block IV des Atomkraftwerks Tschernobyl. Auslöser für den Super-GAU war ein Test: Die Techniker wollten prüfen, ob nach einem Abbruch der Reaktorleistung und einem gleichzeitigen Ausfall der Stromversorgung die auslaufenden Turbinen noch ausreichend Strom produzieren, um die 45 Sekunden zu überbrücken, bis die Notstromgeneratoren vollständig angelaufen sind. Die sowjetischen Ingenieure sahen darin eine elektrotechnische Herausforderung - und rechneten nicht damit, dass der Atommeiler beschädigt werden könnte.

. (Foto: ddp, sde)

Das Protokoll der Katastrophe

25. April, 01:00 Uhr: Die Bedienungsmannschaft beginnt, den Reaktor herunterzufahren.

25. April, 14:00 Uhr: Weil die Hauptstadt Kiew mehr Strom verlangt, wird das Experiment verschoben. Der Reaktor läuft auf 50 Prozent, später wird er weiter heruntergefahren - entgegen der Vorschriften wird das Notkühlsystem abgeschaltet.

25. April, 23:10 Uhr: Die Leistung des Reaktors soll auf 20 bis 30 Prozent gedrosselt werden. Der Wert liegt knapp über der zulässigen Minimalnorm - wird diese unterschritten, könnte der Meiler außer Kontrolle geraten.

26. April, Mitternacht: Eine neue Schicht übernimmt den Dienst

26. April, 00:28 Uhr: Einem Techniker unterläuft ein schrecklicher Fehler: Er gibt, so die gängigste Annahme, einen falschen Leistungssoll-Wert ein. Die Leistung von Block IV fällt abrupt ab, auf unter 30 Megawatt. Dies entspricht lediglich einem Prozent der Reaktorleistung.

26. April, 01:00 Uhr: Es gelingt den Technikern, die Leistung auf etwa sieben Prozent zu erhöhen. Der Betrieb wird entgegen den Vorschriften fortgesetzt.

26. April, 01:15 Uhr: Der Versuchsleiter blockiert die Signale, die zu einer Notabschaltung geführt hätten.

26. April, 01:23 Uhr: Trotz aller Probleme beginnt der geplante Test. Der Schichtleiter schließt die Sicherheitsventile der beiden Turbinengeneratoren. Die Temperatur im Reaktorkern steigt, das Kühlmittel verdampft. Das Personal versucht vergeblich eine Notabschaltung. In Sekundenbruchteilen erhöht sich die Leistung auf über 300.000 Megawatt - das Hundertfache der Nennleistung. Die Brennelemente werden beschädigt und reagieren mit dem sie umgebenden Wasser. Zwei Dampfexplosionen zerstören den Reaktor. Auch das Dach von Block 3 brennt lichterloh.

26. April, 01:28 Uhr: Die ersten Feuerwehrleute erreichen den Unglücksort. Sie sind weder mit Geigerzählern noch mit Schutzkleidung ausgerüstet.

26. April, 04:30 Uhr: Der Schichtleiter beruhigt seinen Chef: Der Reaktor sei intakt, man müsse ihn nur kühlen.

28. April: In Skandinavien wird enorm hohe Radioaktivität gemessen, später wird in geringem Ausmaß auch in Teilen Deutschlands und anderen europäischen Ländern Strahlung nachgewiesen. Erst am Abend, zweieinhalb Tage später, gibt die sowjetische Nachrichtenagentur TASS bekannt, dass sich im Atomkraftwerk in Tschernobyl eine Havarie ereignet hatte.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: