IWF:Strecken allein reicht nicht

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Der Internationale Währungsfonds stellt klar: Griechenland braucht Schuldenerleichterungen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Griechenlands Schulden sind "hochgradig nicht tragbar". Zu diesem Schluss kommen die Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) in einer aktualisierten Analyse darüber, ob Griechenland seine Schulden tragen und gleichzeitig wieder auf die Beine kommen kann. Der IWF hatte die Analyse unmittelbar nach der Einigung der Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder im Schuldenstreit mit Griechenland an diesem Montag vorgelegt.

Das vier Seiten umfassende Papier gibt ein klares Nein als Antwort für den Fall, dass sich die Europäer nicht zu spürbaren Schuldenerleichterungen durchringen. Der Schuldenberg Griechenlands, schreiben die Experten, werde nur dann Wirtschaftswachstum erlauben und damit erträglich werden, wenn es neben einer schnellen Vereinbarung über das avisierte dritte Hilfsprogramm "jetzt auch Schuldenerleichterungen gibt, die weit über das hinaus gehen, was die Europäer bisher bereit waren zuzugestehen".

Hinter der komplizierten Formulierung verbirgt sich eine einfache Botschaft an die Euro-Länder. Die Schulden Griechenlands werden nicht tragfähig, wenn die Euro-Partner wie bisher nur Zinsen senken, aussetzen, strecken oder Fälligkeitstermine der Kredite weiter in die Zukunft verlagern. Stattdessen muss die Euro-Zone ihre Schuldenerleichterungen für Griechenland deutlich ausweiten.

Es ist von einem "tiefen" Schuldenschnitt die Rede

Die Schuldenquote Griechenlands liege mittlerweile bei 175 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), heißt es in dem IWF-Papier. Sie werde sich bis Ende 2018 der 200-Prozent-Marke nähern. Als tragfähig gelten Schuldenquoten bis 120 Prozent. Der Wert basiert allerdings nicht auf wissenschaftlichen Erhebungen, sondern auf Erfahrungswerten. Als die ersten Rettungspakete für Euro-Länder geschnürt wurden, lag die Schuldenquote Italiens bei ungefähr 120 Prozent. Weil das Land damit wirtschaften konnte, wurde Italiens Verschuldung als praktikables Limit für Euro-Länder festgelegt. Zum Vergleich: Die nach Maastricht-Vertrag erlaubte Schuldenquote liegt bei 60 Prozent.

Die Experten des IWF schlagen drei Möglichkeiten vor, mit denen die Schulden Griechenlands spürbar reduziert werden könnten. Sie empfehlen, die Zeit, in der das Land überhaupt keine Schulden an die europäischen Partner zurückzahlen muss, von zehn auf 30 Jahre zu verlängern. Bisher soll Athen die ersten Kredite 2022 tilgen, die meisten werden ab 2040 fällig. Diese Option schließt ausdrücklich weitere Finanzhilfen ein.

Alternativ hält der IWF jährliche Transferleistungen in den griechischen Haushalt für denkbar. Drittens ist von einem "tiefen" Schuldenschnitt die Rede. Die Entscheidung zwischen den genannten Optionen liege bei Griechenland und seinen europäischen Partnern", schreiben die Experten. Obwohl die Analyse in ihrer Deutlichkeit keinen Zweifel an der grundsätzlichen Notwendigkeit von Schuldenerleichterungen lässt, bieten die Experten anders als in vorangegangenen Analysen Spielraum. Bisher forderte der IWF stets Schuldenschnitte, jetzt hält er auch andere Optionen für möglich.

Mit der aktualisierten Analyse hält sich der IWF die Möglichkeit offen, an einem dritten Kreditpaket für Griechenland teilzunehmen. Voraussetzung dafür ist laut IWF-Statut, dass das jeweilige Land seine Schulden tragen kann. Bisher hatte der Fonds deshalb einen Schuldenschnitt empfohlen, den die Euro-Länder ablehnen. Vor allem Deutschland fordert, dass der IWF Partner bleibt.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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