Italienisch:Das Prestige der männlichen Form

Gendern / international (Foto: SZ-Grafik)

Von Oliver Meiler

Neulich, beim Musikfestival von Sanremo, fragte man die Orchesterdirigentin Beatrice Venezi, 31, ob sie lieber als direttore (männlich) oder als direttrice (weiblich) angesprochen werde. "Für mich zählen bei der Arbeit nur Talent und Können", sagte sie, "und mein Beruf hat einen präzisen Namen: ,Direttore d'orchestra'" So wolle sie gerufen werden. Venezi hat damit eine kleine Debatte ausgelöst, sie war aber schnell vorbei. Gendern ist kein großes Anliegen der Italiener. Die Accademia della Crusca, das Hochamt der Linguistik, empfiehlt den Gebrauch der weiblichen Form bei jeder Gelegenheit. Sehr oft ist eine ministra aber eben doch ein ministro, eine Chirurgin ein chirurgo, eine Bürgermeisterin ein sindaco. Gerade bei angesehenen Ämtern und Berufen hält sich das Männliche, obschon sich die Unterscheidung mit der Schlusssilbe ganz einfach anpassen liesse: a statt o, -ice statt -ore. Doch wie Venezi beharren viele Frauen in hoher Position auf der männlichen Form, als strahlte die mehr Prestige aus.

© SZ vom 12.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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