Italien:Spesen korrekt abgerechnet

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Vier Jahre nach seinem politischen Sturz ist Roms früherer Bürgermeister Ignazio Marino vom obersten Gericht vollumfänglich rehabilitiert worden.

Von Oliver Meiler, Rom

Ein später Freispruch wirbelt die italienische Politik auf, die lokale wie die nationale. Ignazio Marino, Roms früherer sozialdemokratischer Bürgermeister, ist vier Jahre nach seinem politischen Sturz vom Kassationshof, dem obersten Gericht im Land, vollumfänglich rehabilitiert worden. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass Marino kein öffentliches Geld für private Freuden ausgegeben hat: für Mittag- und Abendessen mit Freunden, Verwandten und Weggefährten in Restaurants in Rom, Mailand, Turin und Florenz. Die Anklage hatte 56 suspekte Kassenzettel über insgesamt 12 700 Euro vorgelegt, die Marino mit der Kreditkarte des Rathauses beglichen hat. In zweiter Instanz war er dafür zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, wegen Amtsunterschlagung und Fälschung.

Marino, 64 Jahre alt, hatte immer schon beteuert, dass er nur Dienstessen auf die Spesenrechnung genommen habe. Die Nachricht vom Freispruch erreichte ihn in Mexiko, wo er gerade an einem medizinischen Kongress teilnimmt. Marino ist ein international renommierter Chirurg, Spezialist für Lebertransplantationen. "Wahrheit und Gerechtigkeit haben obsiegt", sagte er. "Es war Zeit." Heiter sei er darob nicht, die Demokratie trage eine Wunde davon. Seit einigen Jahren lebt Marino wieder in Philadelphia, wo er schon vor seinem Quereinstieg in die Politik gewohnt und gearbeitet hatte. Der Zeitung La Stampa verriet er nun, dass er bereit sei, nach Rom zurückzukehren und den Kampf wieder aufzunehmen: "Die Stadt hat mehr Qualität und Würde verdient."

Seine Geschichte ist in mehrerer Hinsicht schmerzhaft für den sozialdemokratischen Partito Democratico und dessen ehemaligen Chef Matteo Renzi. Marino war 2013 zum Bürgermeister gewählt worden, nachdem er bei den Primärwahlen unter anderem Paolo Gentiloni geschlagen hatte, der später Premierminister werden sollte. Man nannte ihn einen "marziano", einen Marsmenschen, weil er mit seiner nüchternen Art so gar nicht zur grellen und intrigenreichen römischen Politik passte. Geboren war er in Genua. Er gefiel sich in der Rolle des Außenseiters, auch in der eigenen Partei. Mit Renzi verstand er sich nie. Als dann der vermeintliche Skandal mit den Kassenzetteln aufkam, für römische Verhältnisse ein Bagatellfall, ließ ihn die Partei fallen. Alle 26 sozialdemokratischen Gemeinderäte traten zurück.

Renzis Ziel war es offenbar, mit einem liebsameren Kandidaten in die fälligen Neuwahlen zu gehen und, natürlich, zu gewinnen. Das ging schrecklich schief. Es triumphierte Virginia Raggi mit 67 Prozent der Stimmen, ein Präludium für den nationalen Wahlsieg der Cinque Stelle bei den Parlamentswahlen 2018. Die Protestpartei hatte versprochen, sie werde Rom ehrlich regieren. Nun, drei Jahre nach Raggis Triumph sitzen einige ihrer prominentesten Leute im Gefängnis, wegen des Verdachts auf Korruption im großen Stil. Ihre persönliche Gunst ist dramatisch eingebrochen. Raggi, schreibt die römische Zeitung La Repubblica, sei die "schlechteste Bürgermeisterin seit dem Big Bang".

Ob Marino es besser könnte? Er war nur zwei Jahre im Amt, bedrängt von Freund und Feind. Immerhin ist der Ruf wieder intakt.

© SZ vom 11.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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