Italien:Platz an der Sonne

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Italiens Strandbadbetreiber fürchten um ihr grandioses Geschäft.

Von Oliver Meiler, Rom

Neulich fragte eine italienische Zeitung: "Sind Strände politisch rechts oder links?" Das hört sich seltsam an, aber diese Geschichte ist nun mal insgesamt bizarr. Sie kreist um die italienischen Strände, diese Traumstreifen am Azur. Das Land ist gesegnet mit Tausenden Kilometern davon. Sie gehören dem Staat, also allen Bürgerinnen und Bürgern - eigentlich. Tatsächlich aber sind Strände oft kleine, private Herrschaftsgebiete, über Generationen hinweg vererbt, eingezäunt oder vermauert. Und das ist schon eine Frechheit.

Der Staat vergibt Nutzungsbewilligungen an Strandbadbetreiber, die sogenannten balneari, für wenig Geld: ein paar Euro pro Quadratmeter, selbst an den besten Plätzen. Von den insgesamt 26 689 vergebenen Lizenzen kosten 21 581 unter 2500 Euro. Pro Jahr. Der Staat nimmt nur etwas mehr als hundert Millionen Euro ein. Wenn man nun bedenkt, dass die balneari mit der Vermietung ihrer teuren Liegen, Kabinen und Sonnenschirme und mit der Bewirtung einen Umsatz von 15 Milliarden Euro im Jahr erwirtschaften, ist die Rechnung schnell gemacht. Es ist ein grandioses Geschäft.

Unternehmer Flavio Briatore, früher ein Zampano der Formel 1 und nun Diskothekenbesitzer an allen möglichen Stränden, plädierte einmal dafür, dass der Preis der Lizenzen erhöht werde. "Sie kosten viel zu wenig", sagte er, bemerkenswert uneigennützig. Seine "Twiga Beach" in Forte dei Marmi zum Beispiel setzt im Jahr vier Millionen Euro um, dafür bezahlt er aber nur 17 619 Euro Miete an den Staat. "Ich glaube, 100 000 Euro wären fair." Die Kollegen balneari fanden das nicht so amüsant. Sie argumentieren immer, sie hätten so viel investiert in ihre Bäder, dass, bitte schön, alles beim Alten bleiben solle, auf ewig. Manche Familien besitzen ihre Lizenzen seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Der Staat hat sie immer automatisch verlängert, ohne Ausschreibung. So wachsen Dynastien heran.

2006 beschloss Brüssel, dass das nicht mehr gehe, nirgendwo in der EU. Richtlinie 123, auch als "Direktive Bolkestein" bekannt, schreibt vor, dass Strandlizenzen international ausgeschrieben werden müssen. Die Aufregung war groß. Doch da sich die italienische Politik immer klein macht, wenn sich mächtige Korporationen wehren, hat Italien die Norm bis heute nicht umgesetzt.

Zum Anwalt der Zunft machte sich Matteo Salvini von der rechten Lega, er entdeckte da neue Wähler. Sie schwören auf ihn: Vor drei Jahren, als Salvini mit den Cinque Stelle regierte, verlängerte Rom alle Konzessionen kurzerhand um fünfzehn Jahre, bis 2033. Niemand fand das skandalös, auch die Linke nicht. Trotz Mahnungen aus Brüssel. Die Rechte, die nach den üblichen Standards für Wettbewerb und freien Markt einstehen sollte, und die Linke, die sich eher für freie Strände starkmachen müsste - alle vereint für die Privilegien der balneari. Auch Premier Mario Draghi schreckte vor einer Reform zurück.

Nun aber hat Italiens oberstes Verwaltungsgericht entschieden: Am 31. Dezember 2023 ist Schluss, alle Lizenzen laufen aus, Richtlinie 123 gilt dann auch für Italien. Außer natürlich, die Strandkönige gehen auf die Barrikaden, mit Salvini als Revolutionsführer.

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