Italien:Hoffnung für die Ocean Viking

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Flüchtlinge an Bord des Rettungsschiffes Ocean Viking. Die Verzweiflung unter den Menschen wurde immer tiefer, weil sie nicht an Land durften; es kam zu Suizidversuchen. (Foto: Shahzad Abdul/AFP)

Die Regierung in Rom lässt 180 Seenotflüchtlinge in Sizilien anlegen, nachdem zuvor an Bord der Notstand ausgerufen worden war.

Von Andrea Bachstein, München

Die Ocean Viking mit 180 Migranten an Bord darf den sizilianischen Hafen Porto Empedocle ansteuern. Das teilte die Betreiberorganisation des privaten Rettungsschiffs, SOS Méditerranée, am Sonntagabend laut der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) mit. Man habe die Anweisung erhalten, zu der rund 70 Seemeilen entfernten Stadt weiterzufahren. An diesem Montag sollen die Geretteten an Land gehen dürfen. Auf dem Schiff sei die Nachricht mit Erleichterung aufgenommen worden. Zuvor hatten italienische Medien unter Berufung auf Informationen des Innenministeriums in Rom bereits gemeldet, die Migranten sollten auf einem italienischen Fährschiff in Quarantäne gehen.

"Die unnötige Verzögerung hat Leben in Gefahr gebracht. Die EU hat in den vergangenen Tagen geschwiegen", erklärte SOS Méditerranée. "Wir haben keine Initiative zur Wiederaufnahme des Abkommens von Malta zur Umsiedlung geretteter Menschen gesehen, kein Zeichen der Solidarität mit den Küstenstaaten", so die Organisation weiter. Im September hatten sich Italien und Malta mit Deutschland und Frankreich auf ein Übergangsverfahren verständigt, das eine rasche Verteilung von Migranten auf andere EU-Staaten vorsieht.

Die Ocean Viking hatte zwischen dem 25. und 30. Juni bei vier Einsätzen insgesamt 181 schiffbrüchige Migranten aus dem Mittelmeer geborgen. Eine Person wurde wegen ihres medizinischen Zustands von italienischen Einsatzkräften an Land gebracht. Am Freitag erklärte die Besatzung den Notstand; sie verwies dabei auf mehrere Suizidversuche und eine drohende Eskalation an Bord. Nach Angaben der Geschäftsführerin von SOS Méditerranée für Deutschland, Verena Papke, hatten sich sechs Suizid-Versuche binnen 24 Stunden an Bord ereignet. Einige der Geretteten seien demnach in Hungerstreik. Der psychische Zustand vieler Überlebenden sei direkte Folge der langen Verzögerung und fehlender Lösung für ihre Ausschiffung, so Papke.

Am Samstag besuchten ein italienischer Psychiater und ein kultureller Mediator die Ocean Viking, um sich ein Bild von der Lage der Migranten zu machen. Unter den psychologischen Belastungen sei die Situation "für Gäste und Besatzung fast außer Kontrolle geraten", zitierte SOS Méditerranée aus dem Bericht des Arztes an die italienischen Behörden.

Laut den Angaben sollen die Migranten an diesem Montag auf das Schiff Moby Zaza umsteigen, wo sie auf Corona getestet werden und die Quarantäne verbringen sollen.

© SZ vom 06.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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