Israel:Wahlen statt Friedensplan

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Benjamin Netanjahu ist mit der Regierungsbildung gescheitert, Neuwahlen stehen bevor. Dadurch dürfte sich nun auch die Nahostinitiative der USA verzögern.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

74 der 120 Abgeordneten der Knesset stimmten sechs Wochen nach der bislang letzten Wahl für eine Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. (Foto: Ronen Zvulun/Reuters)

Der amerikanische Nahostberater Jared Kushner wollte seinen Friedensplan in Israel vorantreiben: Nach Gesprächen in Marokko und Jordanien standen am Donnerstag in Jerusalem Beratungen zu Details an. Die erste Phase, Investitionen in den Palästinensergebieten, sollte bei einer Konferenz in Bahrain Ende Juni starten - auch wenn die Palästinenser nicht teilnehmen wollen. Das alles hatte Trump-Schwiegersohn Kushner nach der Regierungsbildung in Israel auf der Agenda. Doch nun trafen er und die anderen US-Emissäre auf einen politisch angeschlagenen Premier Israels, der erneut vor einem Wahlkampf steht. Frühestens Mitte Oktober dürfte eine neue Regierung im Amt sein. Damit dürfte auch das Timing des US-Friedensplans wanken, dessen politischer Teil bald enthüllt werden sollte.

Denn nur wenige Stunden vor dem Treffen mit Kushner war Benjamin Netanjahu damit gescheitert, sechs Wochen nach der Wahl vom 9. April eine tragfähige rechte Koalition zu schmieden. Neben seinem rechtsnationalen Likud sollten die ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Thora-Judentum, die Union rechter Parteien, Kulanu, sowie die Partei "Unser Haus Israel" der Regierung angehören. Doch Netanjahu schaffte es nicht, die unterschiedliche Forderungen in einen Koalitionsvertrag zu packen.

Konflikt zwischen Netanjahu und Lieberman wegen Wehrpflicht für streng religiöse Juden

Um zu verhindern, dass Staatspräsident Reuven Rivlin den Oppositionsführer Benny Gantz vom zentralistischen blau-weißen Bündnis beauftragt, eine Regierung zu bilden, brachte der Likud einen Neuwahlantrag ein. Das blau-weiße Bündnis hat wie der Likud 35 Sitze im Parlament. Knapp vor Ablauf der Frist stimmten in der Nacht auf Donnerstag 74 der 120 Abgeordneten für die Auflösung der Knesset und Neuwahlen am 17. September.

Auslöser ist ein Konflikt Netanjahus mit seinem einstigen Verteidigungsminister Avigdor Lieberman. Der beharrte auf seinem Plan, schrittweise mehr streng religiöse Juden zum Wehrdienst einzuberufen. Dagegen liefen die ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Thora-Judentum Sturm. Sie gingen aus den Wahlen im April gestärkt hervor und eroberten je acht Sitze in der Knesset. Um eine Mehrheit von mindestens 61 der 120 Abgeordneten zu bekommen, war Netanjahu auch auf Liebermans rechte, säkulare Partei "Unser Haus Israel" und ihre fünf Mandate angewiesen. Aber Lieberman knickte nicht ein, sondern sah das Wehrpflicht-Thema als Symbol dafür, dass sich Netanjahu den Ultraorthodoxen komplett ergeben habe.

Netanjahu unterbreitete in den Stunden vor Ablauf der Frist in der Nacht zum Donnerstag für die Regierungsbildung sogar der Arbeitspartei ein Angebot und lockte auch einzelne Abgeordnete des blau-weißen Bündnisses. Er versprach ihnen Ministerposten, aber auch Änderungen beim umstrittenen Nationalstaatsgesetz. Netanjahu soll sogar bereit gewesen sein, seine Pläne zur Entmachtung des Obersten Gerichts und zur Verabschiedung eines Gesetzes fallenzulassen, das ihm Immunität zusichert. In einer Pressekonferenz nach dem Neuwahlbeschluss warf der aschfahle und sichtlich wütende Premier Lieberman vor, sich auf die Seite "der Linken" geschlagen zu haben.

Johanan Plesner vom israelischen Democracy Institute rechnet nicht mit entscheidenden Veränderungen bei der Wahl im September. Am 9. April war Netanjahu bei dem Urnengang gestärkt worden - trotz drohender Anklagen in drei Korruptionsfällen. Die Anhörung vor der formalen Anklageerhebung ist für Anfang Oktober angesetzt - in der Phase der Regierungsbildung nach der Wahl am 17. September.

Der Wahlkampf ist sofort angelaufen. Der Likud hat schon Vorbereitungen getroffen, sich mit Kulanu von Finanzminister Mosche Kahlon zusammenzutun. Ex-Justizministerin Ajelet Schaked, deren Partei "Neue Rechte" den Einzug in die Knesset nicht schaffte, ist mit Likud im Gespräch. Tamar Zandberg, Chefin der linken Meretz-Partei, bot der Arbeitspartei erneut die Bildung eines linken Bündnisses an.

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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