Israel und Syrien:Stilles Warten auf den Umsturz

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Einige Politiker in Israel fordern zwar, mit dem Regime in Syrien ähnlich zu verfahren wie mit Gaddafi. Doch die Devise, die Premier Netanjahu ausgegeben hat, lautet "schweigen und abwarten" - auch wenn ein Regierungssturz in Damaskus Vorteile bringen könnte.

Peter Münch, Tel Aviv

Ein Machtwort war mal wieder fällig. Seitdem in Syrien die Sicherheitskräfte auf Demonstranten schießen, sind auch aus Israel ein paar analytische Schnellschüsse abgefeuert worden. Zuerst plädierte Außenminister Avigdor Lieberman dafür, dass der Westen Syrien genauso behandeln müsse wie Libyen - aus Gründen der Gerechtigkeit fordert er also Bomben auf Damaskus. Dann meldete sich der für die Entwicklung des Negev zuständige Vize-Minister Ayub Kara mit einer Warnung: Wenn Syriens Präsident Baschar al-Assad gegen die Drusen in seinem Land vorgehe, könne Israel nicht "mit gefalteten Händen zuschauen". Kara ist Druse und Likud-Mitglied. Doch offenbar war das dann doch zu viel für Premierminister Benjamin Netanjahu. Auf einer Kabinettssitzung, so berichten israelische Medien, verordnete er nun allen Kollegen einen Maulkorb zum Thema Syrien.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat seinen Ministern in Sachen Syrien einen Maulkorb verordnet. Die Devise heißt Schweigen und die Entwicklung abwarten - obwohl ein Umsturz in Damaskus durchaus Vorteile für Israel hätte. (Foto: AP)

Der Aufruhr in der arabischen Welt hat Israel von Beginn an in Verwirrung gestürzt. Ringsum war alles plötzlich in Bewegung, nur in Jerusalem machte sich eine Art Schockstarre breit. Ausgelöst wurde das durch die Sorge, dass am Ende alles nur schlechter werden könnte. Deshalb hatte sich Israels Führung bis zuletzt an den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak geklammert, weil der als fast einziger Garant des 30 Jahre währenden Friedens galt. Mit Syrien und Assad aber verhält es sich grundlegend anders, denn seit 1948 herrscht offiziell Kriegszustand mit dem nördlichen Nachbarn. Ein Regimewechsel in Damaskus könnte deshalb für Israel auch weitreichende Vorteile bringen.

Derzeit nämlich geht, auch wenn es an der gemeinsamen Grenze seit langem ruhig ist, von Damaskus eine ständige Gefahr für Israel aus. Präsident Assad ist der Freund aller Feinde des jüdischen Staats: Er hat enge Bande zu Iran und dessen Präsident Mahmud Ahmadinedschad geknüpft, er pflegt die Patenschaft über die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon, und auch im Gaza-Streifen hat er seine Finger im Spiel, weil die Exil-Führer der Hamas und des Islamischen Dschihad bei ihm Unterschlupf gefunden haben. Assads Sturz also würde Israels Gegner auf breiter Front schwächen.

Stellvertreter-Scharmützel und Propaganda

Unbeschwert genießen können und wollen die Israelis Assads wachsende Bedrängnis allerdings nicht. Schließlich ist es dem Regime auch zuzutrauen, dass es die inneren Spannungen nach außen lenkt und zur eigenen Entlastung einen Konflikt mit Israel provoziert. Unwahrscheinlich ist, dass es dabei die direkte Konfrontation sucht und den territorialen Dauerstreit um die Golanhöhen anheizt, die 1967 von Israel besetzt und 1981 annektiert worden sind. Möglich aber wären Stellvertreter-Scharmützel über die Hisbollah im Libanon oder auch die radikalen Palästinenser im Gaza-Streifen. Diese haben Israel in der vergangenen Woche durch Raketenbeschuss bereits zu einem heftigen Schlagabtausch herausgefordert.

Die syrische Propaganda hatte Israel ohnehin sogleich in bewährter Manier ins Visier genommen. Schon kurz nach den ersten Demonstrationen hatte es geheißen, dass die Proteste von ausländischen Mächten - sprich: von den USA und von Israel - geschürt würden. Zu Wochenbeginn wurde von den staatlichen Medien dann dafür auch ein Beweis nachgeliefert: Verhaftet und vor der Kamera vorgeführt wurde ein vermeintlicher Spion. Es ist ein ägyptischer Ingenieur mit amerikanischem Pass. Und er bekannte, dass er vor seinem Aufenthalt in Syrien noch in Israel gewesen sei.

In diesen angespannten Zeiten will Israels Regierungschef mit seinem Maulkorb fürs Kabinett verhindern, dass dem bedrängten syrischen Regime noch mehr Angriffsflächen für die Propaganda geboten werden. Schweigen und die Entwicklung abwarten - das ist die Devise. Klar ist allerdings, dass angesichts der Unruhen im Nachbarland fürs Erste auch alle Bemühungen um israelisch-syrische Friedensverhandlungen auf Eis gelegt werden. Noch Ende Februar hatte Netanjahu öffentlich gesagt: "Wenn Syrien in Richtung Frieden geht, findet es in Israel einen loyalen Partner." Er reagierte damit auf Vermittlungsbemühungen des demokratischen US-Senators John Kerry, der sich mehrmals persönlich mit Assad getroffen hatte und anschließend nach Jerusalem gereist war. Mit einem bedrängten Autokraten aber will nun weder in den USA noch in Israel irgendjemand über Frieden reden.

© SZ vom 29.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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