Israel:Sumpf auf höchster Ebene

Lesezeit: 2 min

16 Amtsträger müssen sich vor Gericht verantworten. Es geht um Bestechlichkeit, Geldwäsche und in einem Fall auch um ein Drogendelikt. Weitere Anklagen könnten folgen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Es klingt nach einer kriminellen Vereinigung, und dieses verbrecherische Netzwerk wurde auf den höchsten Ebenen der israelischen Politik geknüpft: Insgesamt 16 Amtsträger, zumeist aus der von Verteidigungsminister Avigdor Lieberman geführten Partei Unser Haus Israel, müssen sich einer Anklage stellen. Der frühere Tourismusminister ist dabei, ebenso die vormalige Vize-Innenministerin. Es geht unter anderem um Bestechlichkeit, Betrug, Geldwäsche - und in einem Fall auch um ein Drogendelikt. Der Minister Stas Misezhnikov persönlich soll regelmäßig Kokain gekauft und konsumiert haben.

Für den Generalstaatsanwalt ist dies "eine der größten Korruptionsermittlungen der israelischen Geschichte" - und diese ist gewiss nicht arm an solchen Fällen. Wenig überraschen kann zudem, dass im Zentrum nun die vor allem von Einwanderern aus der früheren Sowjetunion getragene Partei Liebermans steht. Der vierschrötige Vorsitzende steht diesmal zwar nicht selbst auf der Anklageliste, doch seine politische Karriere war von ihrem Beginn Mitte der Neunzigerjahre an stets von Betrugsvorwürfen begleitet. Zu einer Verurteilung hat das bislang nie geführt. Allerdings musste Lieberman Ende 2012 wegen der Ermittlungen ziemlich spektakulär sein Amt als Außenminister niederlegen - nur um ein Jahr später nach einem Freispruch noch spektakulärer zurückzukehren.

Der jüngste Fall wirft erneut einen langen Schatten auf seine Partei, zeigt er doch, wie sich dort über Jahre ein System der Bereicherung eingegraben hat. Im Falle der Vize-Innenministerin Faina Kirschenbaum geht es darum, dass reichlich Regierungsgelder an staatliche Stellen wie die nationale Anti-Drogenbehörde oder an Nichtregierungsorganisationen verteilt wurden, deren Chefs Teil des Komplotts waren. So soll dafür gesorgt worden sein, dass ein bestimmter Prozentsatz der Fördersumme in die Taschen der Beteiligten floss. Zudem soll Kirschenbaum mit teuren Hotelübernachtungen und mit elektronischen Geräten bestochen worden sein.

Ein Kronzeuge sagte aus, er habe dem Minister auf Reisen immer wieder Kokain besorgt

Tourismus-Minister Stas Misezhnikov wird angeklagt, weil er unter anderem ein Festival in Eilat am Roten Meer mit einer Million Schekel gefördert und dafür im Gegenzug verlangt haben soll, dass seine Frau dort einen hoch dotierten Beratervertrag bekommt. Die nun ebenfalls zur Anklage gehörende Drogengeschichte kam erst im Laufe der bereits Ende 2014 begonnenen Ermittlungen zutage. Ein Kronzeuge sagte aus, dass er dem Minister in Israel und auch auf dienstlichen Auslandsreisen immer wieder Kokain besorgt habe.

Nach diesem staatsanwaltschaftlichen Rundumschlag ist offen, wie sich das auf Liebermans Position in der Regierungskoalition auswirkt. Der Karikaturist der Zeitung Maariv zeigt den Verteidigungsminister verlassen von seinen angeklagten Getreuen bei einer Parteifeier zum anstehenden jüdischen Neujahrsfest. Doch auch Lieberman selbst darf sich noch nicht allzu sicher fühlen. Der Generalstaatsanwalt hat angekündigt, dass im Zuge der Ermittlungen noch weitere Anklagen folgen könnten.

© SZ vom 28.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: