Israel:Neuer Streit am Tempelberg

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Israel verhaftet den Kustos der muslimischen Heiligtümer in Jerusalem und riskiert neuen Streit mit den Palästinensern. Auch das Nachbarland Jordanien, das die Muslime in Jerusalem vertritt, reagiert bereits verärgert.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Israels Polizei hat den muslimischen Kustos des Tempelbergs, Sheikh Abdel-Azeem Salhab, verhaftet. Sheikh Salhab leitet die Waqf-Behörde, die die Aufsicht über die muslimischen Heiligtümer in Jerusalem inne hat. Der 75Jährige wurde gegen fünf Uhr früh zuhause vor der Polizei festgesetzt; dass auch sein Vize Sheikh Najeh Bkeirat in Haft genommen worden sei, wie palästinensische Medien berichten, wurde nicht bestätigt. Das Vorgehen gegen den muslimischen Würdenträger könnte nun zu Unruhen unter den Palästinensern führen: In den vergangenen Tagen hatte es bereits Auseinandersetzungen auf dem Jerusalemer Tempelberg gegeben, rund 60 Palästinenser aus Ostjerusalem waren festgenommen worden.

Der jordanische Minister für islamische Angelegenheiten, Abdul Nasser Abdul Basal, nannte die Verhaftungen am Sonntag "eine gefährliche und inakzeptable Eskalation, die Jordaniens Rolle als Hüter der heiligen islamischen Stätten in Jerusalem betrifft". Israel spiele mit dem Feuer. Jordanien übt aufgrund seines Friedensabkommens mit Israel die Aufsicht über die den Muslimen heiligen Stätten auf dem Tempelberg aus.

Israels Polizeisprecher Micky Rosenfeld sagte, Kustos Salhab habe ein Zutrittsverbot für einen bestimmten Bereich des Tempelbergs missachtet. Es geht dabei um das Bab al-Rahma, eine "Tor des Erbarmens" genannte Stätte in Jerusalems Altstadt. Tausende Muslime hatten am Freitag in den 2003 von Israel geschlossenen Bereich am Tempelberg gestürmt. Vermutlich war er zuvor von Waqf-Vertretern geöffnet worden war. Als Grund für die Schließung waren 2003 Verbindungen der für die Verwaltung zuständigen Organisation mit der radikalislamischen Hamas genannt worden. Die Waqf-Behörde hatte sich mit der Forderung an den israelischen Generalstaatsanwaltschaft gewandt, die Stätte wieder zu öffnen. Die israelische Polizei ist wegen Sicherheitsbedenken dagegen.

Der Streit um den Tempelberg belastet zunehmend Israels Verhältnis zum Nachbarn Jordanien. Vergangene Woche war bekannt geworden, dass die dortige Regierung erstmals Palästinenser in die Waqf-Behörde aufgenommen hat. Die bisherige Zahl von elf wurde auf 18 Waqf-Mitglieder aufgestockt. Aufgenommen wurden Vertreter der Autonomiebehörde, der PLO und lokale muslimische Führer, darunter der Mufti von Jerusalem, Mohammed Hussein, und der Präsident der palästinensischen Al-Quds Universität, Imad Abu Kishek. Nach Einschätzung von Beobachtern will Jordanien die Verantwortung für die heiligen Stätten in Jerusalem nicht länger alleine tragen und die Palästinenser stärker einbinden. Das wiederum dürfte Israel missfallen.

Um den Tempelberg, der Muslimen und Juden heilig ist, gibt es immer wieder Streit. Die Juden beten dort an den Überresten der westlichen Stützmauer des antiken Tempelplateaus, der sogenannten Klagemauer. Für Muslime hingegen ist der Tempelberg "Al Haram al Scharif" - zu Deutsch "das edle Heiligtum". Die dortige Al-Aqsa-Moschee ist die drittwichtigste Moschee des Islam.

Am Tempelberg brachen schon häufiger Unruhen aus. Ein Auslöser für den Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000 war ein Besuch des damaligen israelischen Oppositionspolitikers Ariel Scharon auf dem Tempelberg. Im Sommer 2017 kam es zu Auseinandersetzungen, nachdem Israel nach einem tödlichen Anschlag auf zwei Polizisten am Tempelberg Metalldetektoren aufgestellt hatte. Israel ließ diese wieder abbauen, nachdem vier Palästinenser getötet und Hunderte weitere verletzt worden waren.

© SZ vom 25.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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