Israel:Netanjahus vorauseilende Freude

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Netanjahu (li.) ist weiter dagegen, dass die Emirate F-35-Kampfjets bekommen. (Foto: Jack Guez/AFP)

Israels Premier bemüht sich weiter um diplomatische Durchbrüche - feiert dann aber zu früh: Ein Friedensabkommen mit Sudan verkündet verkündet er zu voreilig.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Es herrscht Hochstimmung in Israel nach der Ankündigung einer Normalisierung der Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Die Wirtschaftsexperten rechnen schon hoch, wie viel Geld die Annäherung in die Kassen spülen wird. Die Politiker von Premierminister Benjamin Netanjahu abwärts entwerfen Szenarien einer Neuordnung des Nahen Ostens, bei der Israel beste Verbindungen zu den arabischen Golfstaaten und darüber hinaus pflegt. Eine Bestätigung für all die hochfliegenden Hoffnungen schien sogleich aus Khartum zu kommen, wo ein Sprecher des sudanesischen Außenministeriums verkündete, Israel und sein Land seien einem Friedensabkommen bereits sehr nah. Es gebe "keinen Grund mehr für fortgesetzte Feindseligkeiten". Doch die Freude über diesen Durchbruch war verfrüht - und auch ein paar andere Fragen geben noch Rätsel auf.

Kaum hatte der sudanesische Ministeriumssprecher seine Friedensbotschaft in diversen Fernsehinterviews verbreitet, war er auch schon gefeuert. Er sei "nicht befugt" gewesen, darüber zu reden, erklärte Außenminister Omar Qamar al-Din. Und überhaupt würde die Aufnahme von Beziehungen zu Israel in seinem Ministerium gar nicht diskutiert. Nach diesem Rückzieher stand dann unglücklicherweise auch die bereits zuvor veröffentliche Reaktion Netanjahus plötzlich im luftleeren Raum. Der Regierungschef hatte verkündet, "Israel, der Sudan und die ganze Region werden von einem Friedensabkommen profitieren" und sein Land werde dafür "alles tun, was notwendig ist".

Sollten die VAE zur Belohnung "F-35"-Kampfjets erhalten, wäre das für Jerusalem ein Problem

Netanjahus vorauseilende Freude ist indes verständlich, denn ein Abkommen mit dem Sudan hätte neben dem strategischen auch einen hohen symbolischen Wert. Schließlich war es auf einer Konferenz in Khartum, auf der acht arabische Staaten nach dem Sechstagekrieg von 1967 ihre berühmt-berüchtigten "drei Neins" gleichsam in Stein gemeißelt hatten: Nein zum Frieden mit Israel, Nein zur Anerkennung und Nein zu Verhandlungen. Dies gilt es nun zu überwinden, doch im sudanesischen Fall wird es wohl ganz so schnell nicht gehen. Von der erhofften großen Welle ist ohnehin noch nichts zu sehen. Auch der saudische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan stellte bei einem Besuch in Berlin klar, dass sein Land erst zu einer Normalisierung der Beziehung bereit sei, wenn Israel einen Friedensvertrag mit den Palästinensern schließe.

Dennoch ist Israel demonstrativ darum bemüht, das Momentum nach der gemeinsamen Erklärung mit den VAE zu nutzen. Außenminister Gabi Aschkenasi verkündete, dass er die neuen Friedensaussichten bereits mit seinem Kollegen aus Oman am Telefon diskutiert habe. Präsident Reuven Rivlin sprach eilig eine offizielle Einladung für den VAE-Kronprinzen Mohammed bin Zayed nach Jerusalem aus. Und Netanjahu rollte dem starken Mann der Emirate bereits den roten Teppich aus, indem er sich in einem Interview mit Sky News Arabia darauf festlegte, dass die VAE ebenso wie Israel eine "fortgeschrittene Demokratie" seien. Klagen über Menschenrechtsverletzungen oder die Tatsache, dass im Reich der islamischen Monarchen nicht einmal Parteien erlaubt sind, blieben bei dieser Sichtweise außen vor.

Heftig diskutiert werden in Israel indes auch die möglichen Hintergründe des von US-Präsident Donald Trump verkündeten Ausgleichs zwischen Israel und den VAE. Auslöser war ein Bericht der Zeitung Jedioth Achronot, demzufolge die Emirate als Belohnung nun damit rechnen dürfen, aus den USA modernste Waffensysteme, darunter F-35-Kampfjets sowie Drohnen, zu beziehen. Bislang war dies stets blockiert worden, um Israels militärische Überlegenheit in der Region nicht zu gefährden. "Waffen gegen Frieden" wäre damit der Kern des Deals, nachdem Netanjahu zuvor hervorgehoben hatte, dass es keinerlei Gegenleistung gebe und es allein um "Frieden gegen Frieden" gehe.

Netanjahu reagierte scharf, bezeichnete den Zeitungsbericht als Fake News und betonte, dass er weiterhin den Verkauf solcher Waffensysteme an die VAE ablehne. Dennoch sieht er sich nun mit dem Vorwurf konfrontiert, Israels Sicherheitsinteressen aufs Spiel zu setzen. Erinnert wird dabei auch daran, dass er 2014 im Alleingang Deutschland das Einverständnis gegeben hatte für den geplanten Verkauf von U-Booten an Ägypten. Auch über die jetzigen Verhandlungen mit den VAE hatte der Regierungschef vorab weder Außenminister Aschkenasi noch Verteidigungsminister Benny Gantz vom Koalitionspartner Blau-Weiß informiert.

© SZ vom 20.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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