Israel:Netanjahus Niederlagenserie

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Bei einer Kundgebung in Tel Aviv am Samstag protestieren Teilnehmer gegen Premier Netanjahu, dem eine Anklage in mehreren Korruptionsfällen droht. (Foto: Thomas Coes/afp)

Er stürzt in Umfragen ab, Koalitionäre distanzieren sich - und ein Kronzeuge taucht auf.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Dass Israels Generalstaatsanwalt Premier Benjamin Netanjahu in drei Korruptionsfällen wegen Bestechlichkeit, Untreue und Betrug anklagen will, zeigt Wirkung - bei den Wählern und seinen Koalitionspartnern. Die Unterstützung für den 69-Jährigen, der trotz der Vorwürfe eine fünfte Amtszeit bei den Wahlen am 9. April anstrebt, schwindet. In aktuellen Umfragen liegt sein Herausforderer Benny Gantz erstmals vor dem Premier.

36 Prozent der befragten Israelis sind überdies der Ansicht, Netanjahu sollte wegen der Korruptionsvorwürfe sofort zurücktreten, 32 Prozent halten das für nötig, wenn formal Anklage erhoben wurde. Vor einer Anklageerhebung hat Netanjahu noch das Recht auf eine Anhörung. Am Wochenende gab es in Tel Aviv Demonstrationen von Gegnern und Unterstützern Netanjahus; die der Gegner hatte mehr Teilnehmer.

Auch Vorwürfe gegen Gantz wurden vergangene Woche erhoben: wegen sexuellen Fehlverhaltens während seiner Schulzeit. Er will juristisch gegen die Anschuldigungen vorgehen, zu schaden scheinen ihm die Behauptungen bisher nicht.

Selbst eine rechte Siedlerpartei findet lobende Worte für Netanjahus Konkurrenten

Von der Absetzbewegung nach der Anklageempfehlung ist auch Netanjahus Partei, der rechtsnationale Likud, betroffen. Rund ein Fünftel der bisherigen Likud-Wähler überlegt, eine andere Partei zu wählen. Derzeit hat das rechte Lager keine Mehrheit, eine Koalition zu bilden. Alle Umfragen zeigen, dass die bisherigen Koalitionsparteien und die Neugründung Neue Rechte zusammen nur 59 der 120 Sitze in der Knesset gewinnen könnten.

Selbst bisherige Koalitionspartner Netanjahus schließen nicht mehr aus, sich an einer von Gantz geleiteten Regierung zu beteiligen. Zwei der vier derzeitigen Koalitionsparteien des Likud, Kulanu und Jüdisches Heim, halten sich diese Option offen. Finanzminister Mosche Kahlon, der früher dem Likud angehörte und 2014 die in der Mitte positionierte Kulanu-Partei gegründet hatte, gab im Gegensatz zu den anderen Koalitionspartnern keine Unterstützungserklärung für Netanjahu ab. "Vom ethisch-moralischen Standpunkt aus" fühle er sich "nicht wohl" angesichts der Korruptionsvorwürfe gegen den amtierenden Regierungschef, erklärte Kahlon. Ihm könnte die Rolle eines Königsmachers nach der Wahl zufallen. Seine Partei vertritt einige ähnliche Positionen wie die Zukunftspartei von Jair Lapid, der mit Gantz das blau-weiße Bündnis geschmiedet hat, das in Umfragen derzeit klar auf Platz eins liegt.

Überraschenderweise will auch der Chef der den Siedlern nahe stehenden rechten Partei Jüdisches Heim, Rafi Peretz, eine Koalition mit Gantz nicht ausschließen, auch wenn er Netanjahu weiter den Vorzug gibt. Peretz verteidigte Gantz sogar gegen Angriffe des Likud: "Man kann einen Generalstabschef nicht gefährlich nennen. Er war mein Kommandant, und er ist mein Freund", erklärte Peretz. Während Gantz' Zeit als Generalstabschef war Peretz Rabbiner bei den israelischen Streitkräften.

Selbst Justizministerin Ayelet Schaked von der Partei Neue Rechte kritisierte Netanjahu, wegen seiner persönlichen Angriffe gegen den Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit sowie die Staatsanwälte Shai Nitzan und Liat Ben-Ari. Netanjahu hatte ihnen politische Motive vorgeworfen. Mit Unterstützung von Schakeds Partei kann Netanjahu zwar prinzipiell rechnen - aber nur bis zu einem gewissen Punkt. So erklärte Parteichef Naftali Bennett, er werde einem Gesetz zur rückwirkenden Straffreiheit für amtierende Regierungschefs nicht zustimmen. Für ein solches, auf Netanjahu zugeschnittes Gesetz gibt es bereits eine Initiative.

Und die schlechten Nachrichten für Netanjahu wollen nicht enden: Selbst sein Cousin und langjähriger Anwalt David Schimron soll sich nun bereit erklärt haben, als Kronzeuge gegen Netanjahu auszusagen.

© SZ vom 04.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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