Wegen der Siedlungsaktivitäten von Israelis im Westjordanland wurden die letzten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen im Frühjahr 2017 abgesagt - auch wenn offiziell von "Termingründen" die Rede war. An diesem Donnerstag werden die Beratungen nach einer Pause von drei Jahren wieder aufgenommen. Für etwa 24 Stunden reiste Bundeskanzlerin Angela Merkel mit zehn Ministern im Gefolge nach Israel. Sie selbst traf schon am Mittwochabend Premierminister Benjamin Netanjahu zu einem ersten Meinungsaustausch, für die anderen geht es erst am Donnerstag los mit Terminen in Yad Vashem und im Israel-Museum sowie Treffen mit ihren Ministerkollegen. Wenn Merkel die Ehrendoktorwürde der Universität Haifa verliehen wird, will auch der Minister der nationalreligiösen Partei "Jüdisches Heim", Naftali Bennett, dabei sein. Seine Partei steht den Siedlern nahe.
Im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung steht folgender Passus: "Die aktuelle Siedlungspolitik Israels widerspricht geltendem Völkerrecht und findet nicht unsere Unterstützung." An den Siedlungsaktivitäten und damit an den damaligen Absagegründen hat sich allerdings nichts geändert. Es ist sogar ein neuer Grund für Proteste aus Berlin dazu gekommen: der drohende Abriss des Beduinendorfes Khan al-Ahmar, das östlich von Jerusalem liegt. Wird der Siedlungsbau in dieser Gegend weiterbetrieben, könnte das Westjordanland zweigeteilt werden. Das würde eine Zwei-Staaten-Lösung, die auch den Palästinensern einen eigenen Staat ermöglicht, erschweren, zumal schon der Gazastreifen eine eigene Enklave bildet.
Einem Beduinendorf droht der Abriss - nur einer der Streitpunkte in Jerusalem
Für den Fortbestand des seit Jahrzehnten bestehenden Beduinendorfes setzt sich die gesamte EU ein, aber auch Deutschland allein hat mehrfach gegen den Abriss protestiert - und das unter einem Außenminister Heiko Maas (SPD), der bei seinem Besuch im März die israelische Besatzungspolitik nicht angesprochen, dafür mehrfach betont hat, dass er "wegen Auschwitz in die Politik gegangen" sei. Er trat sichtbar vorsichtiger auf als sein Vorgänger Sigmar Gabriel, der sich bei seinem Israel-Besuch im April 2017 mit regierungskritischen Organisationen getroffen hatte, weshalb Netanjahu kurzfristig das Treffen mit ihm abgesagt hatte.
Inzwischen ist Maas aber auf Seiten derer, die den Atomvertrag mit Iran verteidigen. Deutschland und andere europäische Staaten halten auch nach dem von Israel forcierten Ausstieg der USA daran fest. Ein weiterer Grund für Besorgnis in Israel ist die wachsende Zahl von antisemitischen Vorfällen in Deutschland. Der deutsche Antisemitismusbeauftragte Felix Klein nimmt an den aktuellen Konsultationen teil, zum ersten Mal wird es einen Dialog darüber zwischen Regierungsvertretern beider Seiten geben.
Zu einer weiteren Verstimmung war es in den Sommermonaten gekommen, als Israels Wissenschaftsminister Ofir Akunis die Berufung der Neurologin Yael Amitai in die deutsch-israelische Stiftung für Forschung und Entwicklung gestoppt hatte, weil sie Unterstützung für Wehrdienstverweigerung in den von Israel besetzten Gebieten erkennen ließ. 460 israelische Wissenschaftler unterschrieben eine Protestnote, zwei deutsche Professorinnen traten aus der Stiftung aus. Beim Besuch Netanjahus vor vier Monaten in Berlin sprach Merkel offen Differenzen an. Es gebe nicht in allen Fragen Übereinstimmung, "aber wir sind Freunde und Partner. Und wir sind darum bemüht, unsere gegenseitigen Interessen zu verstehen".
Mit Interesse wird auch beobachtet, ob Netanjahu das Wort Zwei-Staaten-Lösung in den Mund nehmen wird. US-Präsident Donald Trump hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit Netanjahu überraschend erklärt, ihm gefalle die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung. Netanjahu hatte sich vor seiner Rückreise aus den USA noch geweigert, das Wort zu benutzen und dies im Gespräch mit Journalisten so erklärt: "Ich habe entdeckt, wenn man Label verwendet, dann bringt das nicht sehr viel. Denn unterschiedliche Leute verstehen unter dem Begriff 'Staat' Unterschiedliches."
Durch die Streichung von Millionenbeträgen will Trump die Palästinenser an den Verhandlungstisch zwingen. Davon ist auch das UN-Hilfswerk für die Palästinenser UNRWA betroffen. Obwohl andere Staaten, darunter Deutschland, ihre finanziellen Zusagen aufgestockt haben, ist die Arbeit des Hilfswerks gefährdet. Das hat zu Unmut insbesondere im Gazastreifen geführt. Weil Mitarbeiter Todesdrohungen erhalten haben, entschloss sich die UNRWA zu einem ungewöhnlichen Schritt: Neun der elf ausländischen Mitarbeiter im Gazastreifen wurden evakuiert. Geblieben ist der Leiter der UNRWA im Gazastreifen, der Deutsche Matthias Schmale.