Israel:Hart getroffen

Nach ersten Erfolgen im Kampf gegen das Coronavirus hat das Land die Beschränkungen zu schnell und zu planlos aufgehoben. Das rächt sich nun. Regierungschef Netanjahu, der sich gerne als Retter inszeniert, muss zusehen, wie der Zorn der Bürger wächst.

Von Peter Münch

Israels Regierungschef liebt die Retterpose. Allzeit ist Benjamin Netanjahu bereit, es mit der Hisbollah oder der Hamas aufzunehmen oder in den Kampf zu ziehen gegen das iranische Atomprogramm. Seine seriellen Wahlsiege verdankt er einem hart erarbeiteten Image: Netanjahu steht für Sicherheit. Doch nun bringt ein Virus alles ins Wanken.

Von der zweiten Corona-Welle wird Israel früher und härter getroffen als alle vergleichbaren Länder. Binnen weniger Wochen ist das Land vom Vorbild bei der Virusbekämpfung zum warnenden Beispiel geworden - und die Verantwortung dafür liegt nicht zuletzt beim Regierungschef. Dass nach dem Lockdown im Frühjahr die Öffnung zu schnell und zu planlos erfolgte, hat er bereits eingeräumt. Obendrein kann jeder sehen, dass die Mängel bei der Koordination der Gesundheitsmaßnahmen höchstens noch von den Mängeln bei der Koordination der wirtschaftlichen Hilfe übertroffen werden.

Ein Virus hat die Eigenschaft, dort anzugreifen, wo sich ihm Schwachstellen bieten - und Israels Schwäche wird gerade offenkundig. Die Wirtschaft liegt am Boden, die Bürger werden von Existenzsorgen geplagt und gehen nun in Massen zum Protest auf die Straße. Netanjahu kann ihnen keine Sicherheit mehr bieten. Der Nimbus des Retters könnte ihm in der Viruskrise verloren gehen.

© SZ vom 13.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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