Israel:Gesicht zeigen

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Politikerinnen im Land wehren sich gegen Ultraorthodoxe.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Bilder von Frauen, davon sind ultraorthodoxe Juden überzeugt, darf es in der Öffentlichkeit nicht geben. Auch im Wahlkampf nicht. Als sich im vergangenen Herbst eine Frau um das Bürgermeisteramt in Jerusalem bewarb, Rachel Azaria von der zentristischen Kulanu-Partei, zogen deshalb einige strengreligiöse Männer mit Pinseln und Farbkübeln los und übermalten Azarias Porträt auf den Wahlplakaten. Oder sie schnitten einfach ihr Gesicht aus den Bildern. Hauptsache weg. Heute, ein halbes Jahr später, zeigt sich auf den Straßen Jerusalems: Die Männer haben genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie erreichen wollten: überall Frauenbilder. Und zwar dort, wo sie niemand so einfach überpinseln kann.

Die 41-jährige Politikerin Azaria wollte die Zerstörung ihrer Abbildungen nicht hinnehmen. Sie wandte sich an das Unternehmen Canaan, das für die Platzierung der Polit-Werbung verantwortlich war. Sie forderte Entschädigung für jene Plakate, die zerstört worden waren, aber sie wollte kein Geld. Sie wollte Sichtbarkeit. Und die bekam sie durch den Vergleich, der am Ende der juristischen Auseinandersetzung geschlossen wurde.

Seit dieser Woche drehen 50 Busse in Jerusalem ihre Runden, auf denen riesige Porträts von Frauen zu sehen sind und Aussagen, die mit "Ich habe einen Traum" beginnen. Azaria, die verschiedene Frauenorganisationen in Israel an der Kampagne beteiligte, wird mit dem Satz zitiert: "Ich habe einen Traum, dass Frauen nicht länger ein Scheidungsantrag verweigert wird." Die ehemalige Bildungsministerin Limor Livnat gibt ihren Traum preis, der aus gleichem Lohn für gleiche Arbeit besteht. Auch Nili Philipp ist zu sehen. Sie hat in der von vielen Ultraorthodoxen bewohnten Stadt Beit Schemesch durchgesetzt, dass Schilder abgehängt werden, auf denen Vorschriften für Frauen standen - wie sie sich zu kleiden haben und wo sie nicht gehen dürften. "Ich habe einen Traum, dass sich jede Frau an jedem öffentlichen Ort sicher fühlt", lautet Philipps Zitat. Zwei Wochen lang fahren die Busse durch die Stadt. Weil die Fahrzeuge in Bewegung sind, so die Hoffnung, bleiben die Porträts intakt.

Auch während des derzeitigen Wahlkampfs vor der Parlamentswahl am 9. April machen israelische Politikerinnen die Erfahrung, dass ihre Plakate in Orten mit einer starken ultraorthodoxen Gemeinschaft zerstört werden. Die Vorsitzende der linken Meretz-Partei, Tamar Zandberg, organisierte im Januar eine Protestaktion gegen die Stadt Bnai Brak, die eine Plakatwand mit ihrem Porträt nicht aufstellen wollte. Sie startete in den sozialen Medien eine Kampagne unter dem Hashtag #Ihrwerdetmichnichtauslöschen. Die mittlerweile zurückgetretene Ex-Außenministerin Zipi Livni produzierte ein Video, in dem sie Frauen zum Protest aufrief: "Es geht nicht um mein Gesicht, es geht um das Nichtsichtbarmachen der Hälfte der Bevölkerung."

Immer mehr Frauen in Israel stehen auf. Eine Israelin verklagte vergangene Woche Ikea, weil das Möbelhaus aus Rücksicht auf strengreligiöse Juden einen Katalog ganz ohne Frauen herausgegeben hatte - nur Männer und Möbel waren dort zu sehen. Die Frau fordert 3,6 Millionen Euro Schadenersatz wegen Diskriminierung.

© SZ vom 05.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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