Israel:Der Profiteur

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Müssen die Israels bald zum vierten Mal innerhalb 16 Monaten zur Wahl? Wenn ja, würde das wohl vor allem einem nutzen: Benjamin Netanjahu. Benny Gantz konnte auch nach verlängerter Frist erneut keine Regierung bilden.

Von Alexandra Föderl-Schmid, München

Für Benjamin Netanjahu haben sich die Chancen verbessert, Ministerpräsident bleiben zu können. Das Mandat von Oppositionsführer Benny Gantz, eine Regierung zu bilden, war um Mitternacht nach 48-stündiger Verlängerung ausgelaufen. Obwohl Gantz und Netanjahu in einer gemeinsamen Erklärung versicherten, sie wollten am Donnerstag weiter verhandeln, entschied Präsident Reuven Rivlin: Das Mandat wird an das Parlament überwiesen.

Zum zweiten Mal in der Geschichte sind nun die Abgeordneten am Zug. Sie sollen sich mit einer Mehrheit von mindestens 61 der 120 Abgeordneten darauf verständigen, wer aus ihren Reihen Ministerpräsident werden soll. Dies könnte wiederum Netanjahu, aber auch Gantz oder ein dritter Kandidat sein. Diese Frist endet in drei Wochen. Gelingt keine Verständigung, gibt es in Israel die vierte Parlamentswahl binnen 16 Monaten. Als Datum hierfür gilt dann der 4. August. Seit Dezember 2018 amtiert Netanjahu als Chef einer Übergangsregierung.

Netanjahu kann nun die nächsten drei Wochen nutzen, um sowohl mit Gantz weiter zu verhandeln, als auch zu versuchen, Politiker der Opposition auf seine Seite zu ziehen. Seine bisherige Koalition aus Likud und drei weiteren rechten und religiösen Parteien hat am 2. März 58 Mandate erreicht. Die Gescher-Abgeordnete Orly Levy Abekasis will Netanjahu ebenfalls unterstützen. Damit fehlen ihm zwei Mandate für eine Mehrheit. Netanjahu könnte auch probieren, Abgeordnete aus dem von Gantz geführten blau-weißen Bündnis in seine Koalition zu locken. Zwei Abgeordnete werden wiederholt als mögliche Wechselkandidaten genannt.

Er denkt nur an sich, ich denke ans ganze Land - das ließ Benny Gantz seine Wähler wissen. Doch er schaffte es nicht, eine Regierung zu bilden. Nun stehen die Chancen für Netanjahu (r.) wieder gut. (Foto: Debbie Hill/imago)

Das blau-weiße Bündnis ist inzwischen aufgelöst, nachdem Gantz Verhandlungen mit Netanjahu über eine Regierung begonnen hatte. Gantz hat sein Wahlversprechen gebrochen, nie mit einem Angeklagten in einer Regierung sitzen zu wollen. Er begründet seine Kehrtwende mit der Corona-Bekämpfung.

Netanjahu ist in drei Fällen wegen Betrugs, Bestechlichkeit und Untreue angeklagt. Gantz' bisherige Partner bilden nun eine eigene Fraktion im Parlament. Auch das bisher aus der Arbeitspartei und der linken Meretz bestehende Bündnis existiert nicht mehr, weil Arbeitsparteichef Amir Peretz sich einer von Netanjahu geführten Einheitsregierung anschließen will. Damit würde die Opposition zersplittert in den nächsten Wahlkampf ziehen.

Davon profitiert Netanjahu, aber auch von seinem Management der Coronakrise, die seine Umfragewerte und die der von ihm geführten rechtsnationalen Likud-Partei steigen ließen. Laut der neuesten Umfrage könnte seine bisherige Koalition zehn Mandate mehr erreichen, als für die Mehrheit in der Knesset notwendig ist. Der rechte Block käme auf 71 der 120 Mandate, womit Netanjahus Wiederwahl gesichert wäre.

In dieser Konstellation wäre es für Netanjahu am einfachsten, seinen Wunsch nach einer Amnestie durchzusetzen. Der von Netanjahu bestimmte Justizminister Amir Ochana hat das Verfahren bereits aufgeschoben. Die Forderung des Likud, Richterentscheidungen überstimmen zu können, war laut Schilderungen von Gantz der Grund, warum er sich bisher nicht mit Netanjahu auf eine Koalition verständigen konnte.

© SZ vom 17.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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