Israel:Der Poker hat begonnen

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Nach der Parlamentswahl taktieren die rechten Parteien vor einem Eintritt in Netanjahus Regierung.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Auf dem Boden und doch obenauf: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erzielte sein bisher bestes Ergebnis mit der Likud-Partei. (Foto: Amir Levy/Getty Images)

Es zog sich: Am Donnerstagmorgen gab das zentrale Wahlkomitee kurz nach elf Uhr bekannt, die Zählung der bei der Parlamentswahl abgegebenen rund 4,3 Millionen Stimmen sei abgeschlossen. Aber man müsse die Daten noch einmal überprüfen, ehe ein vorläufiges Endergebnis veröffentlicht werde. Am späten Nachmittag räumte das Wahlkomitee ein, es gebe drei technische Probleme, aber die Auszählung per Hand sei korrekt gewesen.

Insbesondere für die den Siedlern nahe-stehende Partei Neue Rechte bedeutete das nervenaufreibendes Warten. Denn die von den bisherigen Ministern für Bildung und Justiz, Naftali Bennett und Ajelet Schaked, gegründete Partei war laut den Angaben auf der Homepage des Wahlkomitees knapp über die 3,25-Prozent-Hürde für den Einzug in die Knesset gesprungen. Deren Vertreter erklärten jedoch, dass diese Angaben wegen der technischen Probleme falsch seien, der Partei fehlten 1380 Stimmen für den Einzug ins Parlament.

Die Partei Neue Rechte verlangte umgehend eine erneute Auszählung und sprach von politischen Tricks. Auch der Vorwurf des Wahlbetrugs machte die Runde. Ein Sprecher des Wahlkomitees dementierte Berichte über einen möglichen Hackerangriff. Schafft eine Partei den Einzug, bekommt sie mindestens vier der 120 Sitze in der Knesset. Diese Sitze müssen dann anderen Parteien abgezogen werden, weshalb das Wahlergebnis am Ende ganz anders aussieht.

Laut dem, was aus dem Wahlkomitee nach der abgeschlossenen Auszählung verlautete, verlor die ultraorthodoxe Partei Vereinigtes Thora-Judentum einen Sitz, die linke Meretz-Partei gewann einen dazu. Damit würde Benjamin Netanjahus Mehrheit mit dem rechten Block im Parlament mit 64 der 120 Sitze etwas geringer ausfallen als noch am Mittwoch angenommen. Der Mitte-links-Block von Benny Gantz würde auf 46 Stimmen anwachsen. Die beiden arabischen Listen haben zusammen zehn Sitze.

Nicht geschafft hat es Orly Levi mit ihrer eher links angesiedelten Liste Gescher. Auch die in Umfragen hoch gehandelte Partei Identität von Mosche Feiglin, die neben ultranationalistischer Positionen auch die Freigabe von Cannabis gefordert hatte, verpasste den Einzug in die Knesset.

Netanjahu hat mit 35 Sitzen sein persönlich bestes Ergebnis mit dem Likud erzielt. Mit Ariel Scharon hatte der Likud 2003 noch mehr Sitze in der Knesset erobert. Netanjahu kann nun mit fünf weiteren Parteien eine Regierung bilden. Kann er allerdings eine der Parteien nicht überzeugen, in seine Koalition einzutreten, schafft er keine Mehrheit. Der ehemalige Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, der mit dem Austritt seiner nationalen Partei Unser Haus Israel die vorgezogenen Neuwahlen ausgelöst hatte, erklärte, er habe noch nicht fest zugesagt. Er will ein härteres Vorgehen im Konflikt rund um den Gazastreifen und dürfte wieder das Amt des Verteidigungsministers beanspruchen. Der Poker hat schon begonnen, noch ehe Präsident Reuven Rivlin den Regierungsbildungsauftrag vergeben hat.

Obwohl die ultraorthodoxe Schas-Partei ihr Wahlergebnis und die Anzahl der Sitze um einen auf acht steigern konnte, dürfte ihr Vorsitzender Arye Deri einem neuen Kabinett nicht mehr angehören. Laut Medienberichten soll der bisherige Innenminister wegen Korruption angeklagt werden. Er müsste in diesem Fall zurücktreten und könnte dann auch einer neuen Regierung bis zum Abschluss des Verfahrens nicht mehr angehören. Die Rechtslage in Israel sieht vor, dass ein Minister im Falle einer Anklageerhebung zurücktreten muss, ein Premierminister dagegen erst nach einer Verurteilung.

Am Donnerstag übergab Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit den Anwälten von Netanjahu Belastungsmaterial in den drei Korruptionsfällen, in denen der Regierungschef mit einer Anklage wegen Bestechlichkeit, Untreue und Betrug rechnen muss. Damit sollen sie sich auf die spätestens im Juli erwartete Anhörung vorbereiten können. Dann wird endgültig über Anklagen entschieden. Ein Prozess könnte nach Einschätzung von Rechtsexperten frühestens im Dezember beginnen. Benny Gantz, der mit dem blau-weißen Bündnis gleichauf mit dem Likud liegt und eine deutlich gestärkte Opposition anführt, rechnet mit baldigen Neuwahlen: "Wir haben eine Alternative zur Regierung aufgebaut."

© SZ vom 12.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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