Israel:Bündelung der Kräfte

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Und über allem schwebt Benjamin Netanjahu: Während auf der linken wie auf der rechten Seite des politischen Spektrums Parteien ihre Kräfte in neuen Bündnissen vereinen, setzt der Amtsinhaber im Wahlkampf vor allem darauf, sich als erfahrener und gut vernetzter Staatsmann zu präsentieren. (Foto: Jack Guez/AFP)

Israels völlig zersplitterte Parteienlandschaft formiert sich vor der Parlamentswahl am 17. September neu. Verschiebungen gibt es aber nur innerhalb der Blöcke.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

In Israel ist es Tradition, dass sich Parteien vor Wahlen zu Bündnissen zusammenschließen. Am 17. September wird gewählt, und bis zum 1. August haben die Parteien noch Zeit, Formationen zu bilden. In den vergangenen Tagen hat sich die stark zersplitterte Parteienlandschaft aber bereits neu formiert. Die Israelis sind binnen fünf Monaten zum zweiten Mal aufgerufen, mit ihrer Stimme über die Zusammensetzung des Parlaments zu entscheiden. Denn Benjamin Netanjahu, der vor wenigen Tagen David Ben Gurion als am längsten regierender Premierminister überholt hat, scheiterte nach der für ihn erfolgreichen Wahl im April mit der Bildung einer Koalition.

Er hätte neben seinem rechtsnationalen Likud fünf weitere rechte und religiöse Parteien gebraucht, um eine Mehrheit in der Knesset zu formen. Aber der ehemalige Verteidigungsminister Avidgor Lieberman weigerte sich wegen seiner Ansicht nach zu großer Zugeständnisse an Ultraorthodoxe, in die Koalition einzusteigen.

Es ist daher in Netanjahus Interesse, dass sich am Montagnachmittag eine breite Allianz aus rechten Parteien gebildet hat. Denn je mehr rechte Parteien den Sprung über die 3,25-Prozent-Hürde schaffen, desto größer sind die Chancen auf eine deutliche rechte Mehrheit und damit auf eine einfachere Regierungsbildung für Netanjahu. Zu der Allianz aus rechten Parteien gehört etwa die Neue Rechte der ehemaligen Ministerin Ajelet Schaked und Naftali Bennett; sie hatte im April den Einzug in die Knesset nur um rund tausend Stimmen verfehlt. Die Neue Rechte schloss sich am Montag der Union rechter Parteien an, die unter Netanjahus Regie im Frühjahr aus der Siedlerpartei Jüdisches Heim und Tkuma entstanden war. Die Union hatte auch nur ein mageres Ergebnis von 3,70 Prozent und fünf Sitze erreicht. Die neue breite, rechte Allianz tritt für die Interessen der Siedler ein und lehnt einen Staat für die Palästinenser ab. Mit einer weiteren Bewegung, der libertären Zehut-Partei von Mosche Feiglin wird noch verhandelt.

Die Werte der einst staatstragenden Arbeitspartei sinken weiter

Geführt wird das neue rechte Parteienbündnis von der ehemaligen Justizministerin Ajelet Schaked. Eigentlich wollte die frühere Sekretärin Benjamin Netanjahus zum Likud zurückkehren. Doch das hatte Netanjahus Frau vereitelt. Sara Netanjahu mischt sich gerne in die Politik ein. Diesmal versuchte sie zu verhindern, dass Schaked Chefin der Allianz rechter Parteien wird. Das offenbarten Gesprächsprotokolle, die der israelische Sender Channel 12 ausstrahlte. Sara Netanjahu hat nicht nur persönliche Animositäten gegen die Politikerin Schaked, sondern sie macht die Justizministerin auch für die drohenden drei Korruptionsklagen gegen ihren Mann, den Premierminister, mitverantwortlich.

Auch vier arabische Parteien haben sich am Montag zusammengeschlossen, um ihre Wahlchancen zu erhöhen. 2015 hatten sie als gemeinsame Liste 13 Sitze errungen. Im April traten zwei Listen an, sie kamen auf insgesamt nur zehn Sitze. Vorsitzender des neuen Bündnisses soll der Parlamentsabgeordnete Aiman Auda von Hadasch-Taal werden. Arabische Israelis machen etwa 20 Prozent der Bevölkerung aus. Auch wenn die arabischen Parteien teilweise unterschiedliche Ausrichtungen haben, lehnen sie doch alle die israelische Besatzung des Westjordanlands und Ost-Jerusalems ab und fordern einen eigenen Staat für die Palästinenser.

In den vergangenen Tagen gab es Bewegung auch im linken Lager. Der wieder in die Politik eingestiegene ehemalige Ministerpräsident und Arbeitsparteichef Ehud Barak bewirkte, dass sich die linke Meretz-Partei, seine gerade gegründete Partei Demokratisches Israel und die prominente Arbeitspartei-Politikerin Stav Schaffir zur Demokratischen Union zusammenschlossen. Sie werden eine gemeinsame Kandidatenliste für die Wahl aufstellen.

Mit dieser Bündelung der linken Kräfte steigt auch der Druck auf die Arbeitspartei (Awoda), sich diesem Bündnis anzuschließen. Der vor kurzem gewählte Vorsitzende Amir Peretz ist bereits ein Bündnis mit der ehemaligen Abgeordneten Orly Levy-Abekasis eingegangen, die mit ihrer Gescher-Partei im April den Einzug ins Parlament nicht geschafft hatte. Stav Schaffir galt als Zukunftshoffnung der Arbeitspartei, verlor aber das Rennen um den Vorsitz gegen den erfahrenen Peretz.

Auch in der Arbeitspartei gab es nun Diskussionen, ob man nicht doch bei einem linken Bündnis mitmachen sollte, um die Kräfte gegen Netanjahu zu bündeln. In Umfragen sinken die Werte der einst staatstragenden Arbeitspartei weiter, die im April nur 4,4 Prozent und sechs Sitze in der Knesset erreicht hatte.

Aber auch wenn es Bewegung in Israels Parteienlandschaft gibt, so führen diese Zusammenschlüsse laut Umfragen bisher nur zu Verschiebungen innerhalb der Blöcke: So wird die linke Demokratische Union wohl eher Stimmen von Benny Gantz und dem Blau-weißen Bündnis abziehen. Gantz ist Netanjahus aussichtsreichster Herausforderer. Er hatte - wie Netanjahus Likud - im April 26 Prozent und 35 Sitze geholt. So könnte das linke Bündnis Benjamin Netanjahu am Ende sogar nützen und ihm zur erfolgreichen Koalitionsbildung verhelfen.

© SZ vom 30.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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