Israel:Aussicht auf Besserung

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"Wichtig für Israel, wichtig für die Türkei": die Präsidenten der beiden Länder, Isaac Herzog (links) und Recep Tayyip Erdoğan. (Foto: Murat Cetin Muhurdar/AFP)

Was die Türkei und Israel an Gemeinsamkeiten wiederentdeckt haben - auch im Ukraine-Konflikt. Da wollen sie vermitteln.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Es tobt ein Krieg, der jeden anderen Zwist schnell in den Schatten stellt. Russlands Angriff auf die Ukraine lässt auch die beiden chronischen Streithähne Israel und Türkei neue Gemeinsamkeiten entdecken: Beide haben sich als Vermittler angeboten, schließlich pflegen beide gute Kontakte nach Moskau wie nach Kiew. Zudem zeichnen sich für beide in dieser viel beschworenen Zeitenwende neue Kooperationsmöglichkeiten ab, zuvörderst einträgliche Gasgeschäfte. Kein schlechter Zeitpunkt ist dies also für ein Versöhnungstreffen der beiden Präsidenten aus Israel und der Türkei.

Auf Einladung von Recep Tayyip Erdoğan ist Isaac Herzog am Mittwoch nach Ankara geflogen. Er tritt dort unter anderem in die Fußstapfen seines Vaters Chaim Herzog, der als israelischer Präsident 1992 die Türkei besucht hatte - in der Blütezeit der Beziehung, die stets als wichtiger Brückenschlag zwischen dem jüdischen Staat und der islamischen Welt galt. Isaac Herzog ist nun jedoch in die Türkei gekommen als erster israelischer Präsident seit 2007, denn danach hatte sich das Verhältnis dramatisch verschlechtert. Herzog preist seine Reise nun als "wichtig für Israel, wichtig für die Türkei und wichtig für die ganze Region". Erdoğan verspricht, "ein neues Kapitel in den Beziehungen" zu öffnen.

Erdoğan nannte Israel einmal "Land der Kindermörder"

Das erscheint bitter nötig. Geprägt ist das Verhältnis immer noch von einem Tiefpunkt im Jahr 2010, als Israels Armee auf hoher See zehn türkische Staatsbürger tötete, die auf einem Schiff voller Hilfsgüter die Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen wollten. Es folgten ein Abzug der Botschafter, eine kurze, von den USA vermittelte Wiederannäherung und immer wieder Konfrontationen, die sich an Erdoğans Patronage gegenüber den Palästinensern entzünden. Zu Israels Empörung gewährt die Türkei bis heute Hamas-Funktionären Zuflucht. Erdoğan gefiel sich zudem darin, Israel als "Land der Kindermörder" zu schmähen und sich rhetorisch zum Verteidiger der Jerusalemer Al-Aksa-Moschee aufzuschwingen.

In jüngster Zeit jedoch setzt der türkische Präsident auf Mäßigung. Einen ersten Schritt auf Israel zu machte er im vorigen Sommer, als er Herzog zu dessen Amtseinführung anrief und gratulierte. Es folgten weitere Telefonate: Erdoğan kondolierte zum Tod von Herzogs Mutter, Herzog wünschte gute Besserung, als Erdoğan vom Coronavirus erwischt wurde. Das mündete nun in diesen Staatsbesuch mit reichlich Pomp und Salutschüssen.

Erdoğans Annäherung an Israel ist eingebettet in einen größeren Kurswechsel seiner Außenpolitik, die auch auf eine Verbesserung der Beziehungen mit Staaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten zielt. Angesichts der Veränderungen in der Region - zum Beispiel durch die Abraham-Abkommen, mit denen Israel seine Beziehungen zu mehreren arabischen Staaten normalisiert hat - will die Türkei offenkundig nicht außen vor bleiben.

Überdies zwingt die Wirtschaftskrise zu Kurskorrekturen. Trotz aller diplomatischen Händel hat sich Israel stets als guter Handelspartner erwiesen. Allein 2021 war das Handelsvolumen um 35 Prozent auf insgesamt 6,7 Milliarden Dollar gestiegen - und dabei bleibt noch viel Luft nach oben. Im Blick hat Erdoğan dabei vor allem den Energiebereich. Israel beutet vor seiner Küste größere Gasvorkommen aus und hat mit Griechenland und Zypern einen Pipeline-Plan erarbeitet, um dieses Gas nach Europa zu bringen. Die Abkehr des Westens von russischen Energielieferungen eröffnet dafür ganz neue Dimensionen und motiviert die Türkei umso mehr, an diesem Gasgeschäft teilzuhaben.

Die Kunst wird es dabei aber auch sein, Russland nicht vor den Kopf zu stoßen. Denn auch als Vermittler will die Türkei im Geschäft bleiben. An diesem Donnerstag sollen sich erstmals seit Kriegsbeginn die Außenminister Russlands und der Ukraine treffen - auf türkischem Boden, am Rande eines Diplomatie-Forums im Ferienort Antalya.

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