Israel:Auf dem Weg nach rechts

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Die Arbeitspartei setzt neuerdings auf Abgrenzung zu den Palästinensern statt auf Verhandlungen. Das spiegelt einen Trend in der gesamten Gesellschaft wider, die zunehmend auf Sicherheit fixiert ist.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Israels Arbeitspartei vollzieht eine Wende im Friedensprozess. Auf einer Versammlung in Tel Aviv genehmigten die Delegierten überraschend einstimmig einen von Parteichef Isaac Herzog vorgelegten Plan, der statt auf Verhandlungen mit den Palästinensern nun auf einseitige Schritte zur Abgrenzung setzt. Diese neue diplomatische Agenda markiert einen Rechtsruck der Partei, deren Führer einst die Friedensverträge von Oslo ausgehandelt haben. Damit verschwimmen zusehends die Positionen zwischen der Opposition und der Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu.

Herzog vollzog den Kurswechsel mit einer Überrumpelungstaktik. Noch bei der Wahl im vergangenen Frühjahr hatte er, um sich als Alternative zu Netanjahus Likud zu positionieren, eine Wiederbelebung des Friedensprozesses versprochen. Die Wahl ging verloren, Herzog versank still in der Opposition - und machte nicht mal Schlagzeilen, als er seine neuen Ideen vor drei Wochen in einer Konferenzrede enthüllte. Aufmerksam wurde selbst die eigene Partei erst, als er kurz darauf bei einem Treffen mit Frankreichs Präsident François Hollande verkündete, dass "Versuche, jetzt einen palästinensischen Staat zu schaffen, unrealistisch sind".

Auch der Sozialdemokrat Herzog setzt nun ganz klar auf Mauerbau

Auf diese zumindest temporäre Absage an die Zwei-Staaten-Lösung hatten zahlreiche Parteifunktionäre schockiert reagiert. Doch nun setzte sich Herzog auf ganzer Linie durch mit der Formel, Israel müsse sich "so schnell wie möglich von so vielen Palästinensern wie möglich separieren". Nur so sei angesichts der Welle der Gewalt Israels Sicherheit und langfristig das Überleben des jüdischen Staats zu garantieren. "Wir bauen eine hohe Mauer zwischen uns, das ist die einzige Art der Koexistenz, die derzeit möglich ist", sagt er.

Konkret sieht der beschlossene Plan der Arbeitspartei eine rasche Vollendung des auf dem Höhepunkt der zweiten Intifada begonnenen Sperrwalls vor, der auch alle israelischen Siedlungsblöcke im palästinensischen Westjordanland umschließen soll. Innerhalb dieser Blöcke soll weiter gebaut werden, außerhalb nicht mehr. Abgetrennt werden sollen demnach auch arabische Wohnviertel in der Region Jerusalem.

Klargestellt wird überdies, dass die israelische Armee die besetzten Gebiete weiterhin kontrolliert.

In der neuen Logik der Arbeitspartei wird damit die Zwei-Staaten-Lösung nicht aufgegeben, sondern nur auf Eis gelegt - und damit als Vision gerettet. Ohne die einseitig vollzogene territoriale Trennung, so wird argumentiert, würde Israel unweigerlich in Richtung eines einheitlichen Staats inklusive der Palästinensergebiete abdriften. Getrieben werden Herzog und seine Partei bei dieser Neupositionierung von zwei Faktoren: Zum einen ist dies die Frustration über den Friedensprozess, der in den mehr als 20 Jahren nach den Osloer Verträgen nicht vom Fleck gekommen ist. Herzog hat sich nun der Lesart Netanjahus angeschlossen, dass es auf palästinensischer Seite keinen Partner für den Frieden gibt. De facto dürfte dies den moderaten Palästinenser-Präsidenten Mahmud Abbas weiter schwächen und die Radikalen stärken und könnte somit zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden.

Wichtiger noch dürften in Herzogs Kalkül innenpolitische Gründe sein. Bei allen zurückliegenden Wahlen seit dem letzten Arbeitsparteisieg 1999 hat sich gezeigt, dass mit Friedensversprechen sowie mit einer sozialpolitischen Agenda keine Wählermassen mehr zu mobilisieren sind in Israel. Netanjahu dominiert mit den Themen Sicherheit und Stärke, und obwohl die jüngste Serie fast täglicher Anschläge das Sicherheitsversprechen konterkariert, konnte Herzog selbst in der Opposition kaum punkten. Mit dem Abtrennungsplan will er sich nun wieder in einem zentralen Thema des gesellschaftlichen Diskurses positionieren - und das nicht nur gegenüber Netanjahu, sondern auch mit bangem Blick auf einen Konkurrenten im Oppositionslager: Der frühere TV-Journalist Yair Lapid nämlich, der bei der letzten Wahl mit seiner Zukunftspartei nicht einmal halb so viele Sitze gewann wie Herzog, liegt nun dank kernig-konservativer Thesen in allen Umfragen deutlich vor ihm.

Die Verschiebungen der Parteien spiegeln die Entwicklung der israelischen Gesellschaft wider, die desillusioniert nach rechts gewandert ist. Dem passen sich nun auch vormals linke Parteien wie die Arbeitspartei an. Bereits 2015 war sie schon nicht mehr unter ihrem alten Namen, sondern im Verbund mit der Splitterpartei der früheren Ministerin Tzipi Livni als "Zionistische Union" zur Wahl angetreten. Gestritten wird in Israel längst nicht mehr über Krieg und Frieden, sondern über die Deutungshoheit bei den Begriffen Zionismus und Patriotismus.

© SZ vom 09.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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