Israel:Landnahme per Gesetz

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Israels Parlament legalisiert wilde Siedlungen auf palästinensischem Privatland. Die Rechte feiert, doch ein Gericht könnte die umstrittene Regel noch kippen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Unter dem lauten Beifall der Siedlerbewegung hat Israels Parlament ein Gesetz verabschiedet, mit dem illegal auf palästinensischem Privatland errichtete Bauten nachträglich legalisiert werden sollen. Betroffen davon sind bis zu 4000 Wohneinheiten in den besetzten Palästinensergebieten. Regierungschef Benjamin Netanjahu zufolge soll das Gesetz die Besiedlung des Westjordanlands "ein für alle Mal regeln". Die Palästinenserführung sieht darin eine "illegale Plünderung". PLO-Generalsekretär Saeb Erekat sprach vom "Ende der Zwei-Staaten-Lösung".

Ein Abgeordneter dankte den US- Bürgern für die Wahl Trumps. Sie habe das Gesetz ermöglicht

Monatelang war in der Knesset um dieses Gesetz gerungen worden, das am Ende mit einer Mehrheit von 60 zu 52 Stimmen beschlossen wurde. Treibende Kraft dahinter war die weit rechts angesiedelte Partei Jüdisches Heim von Erziehungsminister Naftali Bennett und Justizministerin Ayelet Schaked. Bennett freute sich nach der Abstimmung am Montagabend über einen "Wendepunkt". Andere in seiner Partei bejubelten einem "historischen Tag für die Siedlerbewegung und für Israel".

Netanjahu verpasste die Abstimmung, weil er noch auf der Rückreise von einem Besuch in London war, wo Premierministerin Theresa May das Gesetz ausdrücklich kritisiert hatte. Israels Regierungschef selbst hatte sich - vermutlich aus Angst vor den internationalen Reaktionen - erst nach langem Zögern und unter innenpolitischem Druck hinter das Gesetzesvorhaben gestellt. Am Montag ließ er wissen, er habe die Angelegenheit vorab mit der neuen US-Regierung abgestimmt. "Freunde überraschen sich nicht gegenseitig", sagte er.

Vorige Woche noch hatte Trumps Sprecher durchaus überraschend die massiven israelischen Siedlungsbaupläne als "vielleicht nicht hilfreich" bezeichnet und Gespräche darüber bei Netanjahus Besuch in Washington am 15. Februar angekündigt. Zum umstrittenen neuen Gesetz kam nun keine Reaktion aus Washington. Der Abgeordnete Bezalel Smotrich vom Jüdischen Heim nahm das zum Anlass, den US-Bürgern für die Wahl Trumps zu danken. "Ohne ihn wäre das Gesetz wahrscheinlich nicht verabschiedet worden", meinte er. In dem Gesetz sind 16 Siedlungen und Außenposten im Westjordanland aufgeführt. Künftig kann der israelische Staat dort palästinensisches Privatland konfiszieren, auf dem Siedler ohne Genehmigung ihre Häuser errichtet haben. Die rechtmäßigen Eigentümer sollen ungefragt entschädigt werden - entweder mit einem anderen Grundstück oder mit einer jährlichen Zahlung. Ausgehebelt wird mit dem Gesetz die israelische Rechtsprechung der vergangenen Jahrzehnte, bei der stets auf einer Räumung solch illegaler Siedlungsbauten bestanden worden war. Erst in der vergangenen Woche hatte nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs unter heftigen Protesten die illegale Siedlung Amona geräumt werden müssen. So etwas soll künftig nicht mehr passieren.

Scharfe Kritik an dem Gesetz kommt sowohl aus dem Ausland als auch aus Israel selbst. Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault forderte Israels Regierung auf, das Gesetz zurückzunehmen und seinen "internationalen Verpflichtungen" nachzukommen. Israels Oppositionsführer Isaac Herzog sprach von einem "kranken Gesetz" und einer "Katastrophe" für das Land. Auch der israelische Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit warnte, das Gesetz verstoße gegen israelisches und internationales Recht und könne ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Hag nach sich ziehen.

Problematisch ist das Gesetz in mehrfacher Hinsicht: Zum einen, weil damit der Landraub durch die rechte Parlamentsmehrheit qua Gesetz für legal erklärt wird. Zum anderen, weil die Knesset zum ersten Mal ein Gesetz verabschiedet hat, dass sich nicht auf das israelische Kernland bezieht, sondern Vorgänge in den besetzten Gebieten regelt. Kritiker sehen darin einen ersten Schritt zur Annexion von Teilen des Westjordanlands, wie sie bereits seit längerem von Erziehungsminister Bennett und seinen Leuten propagiert wird.

Verschiedene israelische Menschenrechtsorganisationen wie Peace Now und Jesch Din haben nun eine Petition vor dem Obersten Gericht gegen das Gesetz angekündigt. Selbst innerhalb der Regierung rechnen viele damit, dass die Richter es am Ende wieder kassieren. Bis dahin aber hat es zumindest den innenpolitischen Zweck erfüllt, den Rückhalt der rechten Regierung im Lager der Siedler zu stärken. Deren Zorn wird dann vor allem das Oberste Gericht treffen, der Boden dafür wird bereits bereitet. Kulturministerin Miri Regev jedenfalls warnte die Richter, dass sie mit einer Rücknahme des Gesetzes nur die Annexion des Westjordanlands beschleunigen würden.

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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