Iran-Konflikt:Last der Indizien

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Die Europäer kritisieren Teheran zu Recht in aller Klarheit - vermitteln aber werden sie weiter müssen.

Von Paul-Anton Krüger

Eindeutiger hätte das Signal an Iran kaum ausfallen können, das die Regierungschefs Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands gesandt haben. Präsident Emmanuel Macron, Premier Boris Johnson und Kanzlerin Angela Merkel weisen Teheran eindeutig die Verantwortung für die jüngsten Angriffe auf die Ölindustrie Saudi-Arabiens zu. "Es gibt keine andere plausible Erklärung", heißt es in ihrer Stellungnahme.

Lange haben sich die Europäer in allgemeine Formulierungen geflüchtet. Letztlich ist ihre neue, scharfe Erklärung aber unvermeidlich und richtig, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit wahren wollen. Zu erdrückend ist die Last der Indizien, dass Iran entscheidend Anteil an diesem komplexen militärischen Angriff auf ein Nachbarland hatte. Damit ist ein Niveau der Eskalation erreicht, bei dem es ein Weiter-wie-bisher nicht mehr geben kann.

Schon die Minen-Angriffe auf Schiffe im Persischen Golf trugen die Handschrift der iranischen Revolutionsgarden. Europa beließ es da noch bei Mahnungen und der Debatte über eine Schutzmission in der Straße von Hormus. Doch der neue Angriff löst, auch wenn er von irregulären Kräften und womöglich nicht von iranischem Boden aus geführt wurde, das Recht auf Selbstverteidigung aus. Die Region steht am Rande einer offenen militärischen Auseinandersetzung, die in einen großen Krieg münden kann.

Taktische Erwägungen müssen hintanstehen. Bisher wollten die Europäer den moderaten Kräften in Teheran den Handlungsspielraum nicht zu sehr einengen. Man nahm hin, dass Iran das Atomabkommen bricht. Die Europäer möchten es erhalten, wie sie erneut betonen. Sie haben als Urheber der Krise richtigerweise US-Präsident Donald Trump identifiziert: Er drangsaliert Iran mit Sanktionen. Doch das Atomabkommen ist kein Freundschaftsvertrag und schon gar kein Bündnisvertrag gegen die USA oder die anderen Golfstaaten, der Iran Immunität verleiht. Natürlich gilt der Angriff auf Saudi-Arabien eigentlich Trump, aber das rechtfertigt ihn in keiner Weise.

Falls auch diesmal eine entschiedene diplomatische Reaktion ausbleibt, ist die nächste Provokation eine Frage der Zeit. Das Atomabkommen hat seinen Wert für Europa nur so lange, wie es seinen Zweck erfüllt: Iran daran zu hindern, sich Atomwaffen zu verschaffen. Für Europa stellt sich die Frage, ob man in Teheran noch Partner hat, die an einer konstruktiven Lösung der Krise interessiert sind.

Es wachsen Zweifel, ob Präsident Hassan Rohani noch den Kurs bestimmt. In Teheran haben sich vorerst jene durchgesetzt, die auf Trumps Kampagne des maximalen Drucks mit einer Strategie maximalen Gegendrucks antworten. Sie sahen sich bestärkt, als Trump darauf verzichtete, den Abschuss einer US-Drohne mit Marschflugkörpern und Bomben zu vergelten. Auch die Entschlossenheit der Europäer steht für Teheran infrage, weil die maritime Schutzmission nicht über Ankündigungen hinauskommt.

Europa bleibt nur, sich klar zu positionieren - und weiter zu vermitteln. Den Rahmen haben sie nun definiert: Verhandlungen über einen langfristigen Rahmen für Irans Atomprogramm, zu Fragen der regionalen Sicherheit und zum Raketenprogramm sowie anderen Trägersystemen, sprich Drohnen und Marschflugkörpern. Die Erfolgsaussichten sind vage, aber die Krise weiter eskalieren zu lassen, ist keine Alternative.

© SZ vom 25.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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