Iran:Die Zeichen stehen auf Eskalation

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Trauer um den bei einem Anschlag getöteten Atomphysiker Mohsen Fakhrizadeh. Teheran macht Israel und die USA dafür verantwortlich. (Foto: WANA NEWS AGENCY/VIA REUTERS)

Das von Ultrakonservativen dominierte Parlament will eine Rückkehr zum Atomabkommen von 2015 unmöglich machen. Für den künftigen US-Präsidenten dürfte eine Annäherung an Teheran dadurch umso schwerer werden.

Von Paul-Anton Krüger, München

In Iran ist ein offener Machtkampf über die Atompolitik und eine mögliche Annäherung an die USA nach der Amtsübernahme durch den Demokraten Joe Biden ausgebrochen. Das von Ultrakonservativen dominierte Parlament beschloss am Mittwochabend ein Gesetz, das eine Rückkehr zum Atomabkommen von 2015 erschwert, wenn nicht unmöglich macht. Der Wächterrat, den der Oberste Führer Ali Khamenei de facto kontrolliert, ratifizierte es. Er prüft alle Gesetze auf Vereinbarkeit mit den Regeln des islamischen Rechts und muss die Kandidaten für Wahlen zulassen.

Präsident Hassan Rohani, ein moderat Konservativer, verbat sich daraufhin am Donnerstag im Staatsfernsehen jegliche Einmischung der Abgeordneten. "Unsere Brüder sollten keine voreiligen Entscheidungen treffen", sagte er. Und forderte, doch "diejenigen, die was von Diplomatie verstehen, die Angelegenheiten mit der notwendigen Reife, Ruhe und Aufmerksamkeit regeln" zu lassen. Die Regierung spricht dem Parlament ein Mitspracherecht bei der Atompolitik ab. Diese obliege alleine dem Obersten Nationalen Sicherheitsrat und der Regierung. Khamenei selbst, der zu den Ultrakonservativen neigt und dem in Fragen der nationalen Sicherheit das letzte Wort zukommt, hat sich noch nicht positioniert.

Der Richtungsstreit innerhalb des Regimes schwelt schon seit einiger Zeit, ist aber nach der Tötung des Atomphysikers Mohsen Fakhrizadeh am vergangenen Freitag offen zu Tage getreten, die Teheran Israel und den USA anlastet. Rohani und seine Regierung halten an ihrer Strategie der "strategischen Geduld" fest und setzen darauf, unter Biden schnell eine Aufhebung der von Präsident Donald Trump verhängten Sanktionen erreichen zu können. Diese haben der Wirtschaft in Iran massiv geschadet. Die Ölexporte, wichtigste Devisen- und Einnahmequelle des Staates, sind eingebrochen, die Landeswährung hat den Großteil ihres Wertes verloren.

Präsident Rohani warnt vor überhasteten Reaktionen

Zwar ist auch Rohanis Regierung schrittweise von den Vorschriften des Atomabkommens abgewichen. Sie hatte dabei aber immer darauf geachtet, dass die Verstöße rückgängig zu machen sind. Rohani warnte, Iran solle sich nicht zu überhasteten Reaktionen hinreißen lassen. Die Aussichten auf eine diplomatische Annäherung und Verhandlungen mit den USA zu untergraben, sei gerade das Ziel der Angreifer gewesen. In diese Falle dürfe man "definitiv nicht tappen", sagte Regierungssprecher Ali Rabiei.

Die Ultrakonservativen dagegen fordern eine harte Reaktion auf die Tötung Fakhrizadehs und Vergeltung für vorangegangene Sabotageaktionen. Diese hatten den Sommer über verschiedene Einrichtungen getroffen, die im Zusammenhang mit dem Bau ballistischer Raketen und dem Atomprogramm stehen. Im Januar hatten zudem die USA mit einem Drohnenangriff den Revolutionsgarden-General Qassem Soleimani getötet, der als Kommandeur der Quds-Brigaden die Auslandseinsätze befehligte und ein Netzwerk schiitischer Milizen im Irak, in Libanon, Syrien und Jemen geknüpft hatte.

Im Parlament hatten die Hardliner im Februar nach acht Jahren die Mehrheit von Moderaten und Reformisten übernommen. Allerdings hatte der Wächterrat zuvor so viele Bewerber aus dem Rohani-Lager von der Wahl ausgeschlossen, dass der Sieg der Hardliner bereits vor der Wahl feststand. Im Juni kommenden Jahres steht die Präsidentenwahl bevor, bei der Rohani nicht mehr antreten darf. Gelingt es den Ultrakonservativen, dieses Amt zurückzugewinnen, könnten sie auf lange Zeit ihre Macht in Teheran festigen und sowohl den außenpolitischen Kurs als auch die Repression im Inneren wieder deutlich verschärfen. Gelänge es Rohani in seiner verbleibenden Amtszeit, einen neuen Deal mit den USA zu schließen, würde dies dagegen womöglich die Chancen der Moderaten wahren.

Der Oberste Führer Khamenei und die Revolutionsgarden sind sich einig

In dem neuen Gesetz verlangt das Parlament von der Regierung, Uran künftig wieder auf 20 Prozent anzureichern und die Produktion von niedriger angereichertem Uran auszubauen. Es würde damit Rohani die Option verbauen, zur strikten Einhaltung des Atomabkommens zurückzukehren. Dies hat wiederum Bidens designierter Sicherheitsberater Jake Sullivan zur Bedingung dafür gemacht, dass auch die USA in das Abkommen zurückkehren und die Sanktionen wieder aussetzen. Zudem verlangte er Verhandlungen in gutem Willen über Nachfolge-Vereinbarungen. Damit könnten nach den Vorstellungen in Washington auslaufende Begrenzungen verlängert werden, aber auch Probleme wie das iranische Raketenprogramm oder die Regionalpolitik Teherans angegangen werden.

Derartige Verhandlungen allerdings hat der Oberste Führer Khamenei wiederholt strikt abgelehnt, ebenso die mächtigen Revolutionsgarden. Das Parlament verlangt zudem, den Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde den Zugang zu den Anlagen des Landes einzuschränken oder gar zu verwehren, sollten nicht binnen weniger Tage nach Bidens Amtsübernahme die Sanktionen aufgehoben sein. Kommt es dazu, würde der neue US-Präsident in seine Amtszeit nicht mit diplomatischen Avancen starten, sondern mit einer sehr ernsten Krise.

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