Iran:Abkehr der alten Freunde

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Auch Russland und China gehen auf Distanz zu Iran - neue Sanktionen könnten damit näher rücken.

Christian Wernicke und Stefan Kornelius

Die offizielle Version, verbreitet vom emsigen Staatssekretär im US-Außenministerium Nicholas Burns, klingt nach Harmonie: "Ernsthaft und konstruktiv", so versichert Burns, hätten Europäer, Amerikaner, Russen und Chinesen "in detaillierten Diskussionen" erörtert, wie der Druck auf Iran zu erhöhen sei.

Irans Präsident Ahmadinedschad vor dem Abflug nach New York. (Foto: Foto: AP)

Es werde strengere Sanktionen geben durch eine verschärfte UN-Resolution. Übersetzung für das allgemeine Publikum: Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland ("P 5 plus 1") wollen es noch einmal gemeinsam versuchen und die Führung in Teheran das Fürchten lehren.

Nur: Wirklich ausgemacht ist zu Beginn der entscheidenden Verhandlungswoche in New York noch nichts. Frühestens am Freitag, wenn sich die Außenminister der "P 5 plus 1" am Rande der UN-Generalversammlung treffen, könnte so etwas wie ein Resolutions-Beschluss heraus kommen. Oder wenigstens ein Beschluss, später etwas beschließen zu wollen.

"Für den handfesten Entwurf einer UN-Resolution ist es wohl noch zu früh", dämpft ein Diplomat in Washington die Erwartungen. Als Hoffnungsschimmer gilt, dass sich schon die Politischen Direktoren der sechs Außenministerien zu einem Treffen verabredet haben. Sie sollen ihren Dienstherrn "Empfehlungen vorbereiten" für einen UN-Kompromiss.

Prahlerei des Präsidenten

Grundlage bleibt das alte Konzept: Sobald Teheran einlenkt und seine Versuche zur Urananreicherung einstellt, locken die Sechs mit Handel und Investitionen.

Falls nicht, drohen sie mit Isolation und Sanktionen: Visa-Verbote, Kontensperrungen, Stopp jeglichen Technologie-Transfers. Bei der Umsetzung dieser Doppelstrategie zerren die sechs Nationen aber oft in verschiedene Richtungen.

Unterdessen setzt Teheran sein Atomprogramm unbeirrt fort: Kürzlich prahlte Präsident Mahmud Ahmadinedschad erneut mit der Dynamik seiner nunmehr 3000 Atom-Zentrifugen. Am vergangenen Freitag, so berichtet ein Kenner der Sechser-Gespräche, warnten China und Russland den Westen erneut vor einer "übereilten Eskalation".

Moskaus Unterhändler ließ durchblicken, Präsident Wladimir Putin wünsche Geduld wenigstens bis 16. Oktober - dem Tag seines Staatsbesuchs in Teheran. Derweil drückt allen voran Amerika aufs Tempo. Außenministerin Condoleezza Rice mahnte nun erneut: "Wir werden weitere Resolutionen im UN-Sicherheitsrat anstreben, wenn Iran sich nicht auf den Verhandlungsweg einlässt."

Rice steht unter Druck. "Sie muss etwas liefern," meint ein Berliner Diplomat, "ohne Fortschritte gewinnt sonst das Cheney-Lager wieder das Ohr des Präsidenten." Auf Drängen von Rice hatte sich George W. Bush 2006 dem diplomatischen Weg der Europäer verschrieben.

Aber in der US-Hauptstadt verstummen die Gerüchte nicht, Vizepräsident Cheney halte eine "militärische Lösung" im Atomstreit für "unausweichlich". Bundeskanzlerin Angela Merkel freilich soll in einer Videokonferenz am vergangenen Donnerstag die Zustimmung Bushs für den gemeinsamen Sanktionsweg erhalten haben.

Die Sorge, dem US-Präsidenten könnte die Geduld ausgehen, hat nun offenbar auch Peking und Moskau erreicht. Der Idee einer neuen, nunmehr dritten UN-Resolution gegen Teheran stimmten Unterhändler beider Länder am Freitag im Prinzip zu - wenn auch noch nicht im Kleingedruckten. Die "EU-3" - bestehend aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien - versichern ebenfalls, es dränge sie nach einer Resolution.

Mit der Geschlossenheit der Europäer ist das allerdings so eine Sache. Zwischen Deutschland und Frankreich herrscht gespannte Stimmung. Misstrauisch wird in Berlin beäugt, wie der französischen Präsident Nicolas Sarkozy - zumindest öffentlich - seine Positionen ständig wandelt. Diplomaten auf Arbeitsebene versichern hingegen, dass man nach wie vor gleich denke und handele.

Frankreichs Drohungen gegenüber Iran - Außenminister Bernard Kouchner schloss zuletzt einen Krieg nicht aus - finden derweil Gefallen in Washington. Kouchner bot aber auch an, dass Amerika und Europa alleine Sanktionen verhängen sollten - falls die Veto-Mächte Russland und China im Sicherheitsrat wieder nur eine zahnlose Entschließung zuließen.

Deutschland hingegen will partout den Druck nur über den UN-Sicherheitsrat entfalten: "Wenn wir China und Russland verlieren, dann sind alle Sanktionen wertlos", sagt ein hochrangiger Diplomat Berlin. "Sanktionen der Willigen", wie von Frankreich ins Spiel gebracht, würden doch unterlaufen.

Zu ersten Irritationen zwischen Merkel und Sarkozy kam es kürzlich beim Klausurtreffen auf Schloss Meseburg. Als der Präsident die deutsche Zögerlichkeit bei der Reduzierung der Handelsbeziehungen kritisierte, gab die deutsche Seite mit gleicher Münze zurück: Französische Konzerne wie Total oder Peugeot machten in Iran exzellente Geschäfte, die sie auch noch über deutsche Banken abzuwickeln versuchten. Sarkozy zeigte sich irritiert und gab seinen Leuten Order, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Zu großer Druck

Derweil bewegt sich in Deutschland wirklich etwas: Commerzbank, Deutsche und Dresdner Bank werden ihre Geschäftsbeziehungen zu Iran kappen. Offizielle Begründung der Banken: zu viel Bürokratie, zu hohe Kosten.

Tatsächlich aber war der Druck aus Washington gewaltig, das US-Finanzministeriums droht seit Monaten unverhohlen mit Nachteilen im US-Geschäft. Das deutsche Handelsvolumen mit Iran ist im ersten Halbjahr 2007 bereits um 17 Prozent geschrumpft.

So etwas müsse Paris erst einmal selbst durchsetzen, hieß es auf Schloss Meseburg. Berlin lässt durchsickern, dass selbst US-Firmen fleißig Geschäft machten - über Tarnfirmen am Golf. Sorgen macht man sich in Berlin auch wegen des Verhaltens anderer Europäer, der Norweger oder der Italiener. Italiens Außenminister Massimo D'Alema sagte am Wochenende sybillinisch, es gebe noch Raum für eine starke Initiative, die Druck durch Sanktionen erzeugt und andererseits die Möglichkeit für Verhandlungen und eine Einigung eröffne.

Deutschland will den Sanktionskatalog auf ausgesuchte Technologien ausdehnen. Außerdem, so die Lesart in Berlin, sei die Drohkulisse bereits so stark, dass viele Firmen freiwillig den Rückzug antreten würden. Außerdem dürfe man nicht völlig die innere Situation in Iran ignorieren. Zusätzliche Sanktionen könnten nur das Regime von Präsident Ahmadinedschad stärken.

Als deutsche Parlamentarier kürzlich eine Begegnung mit iranischen und amerikanischen Kollegen in einem Golfstaat arrangieren wollten, stießen sie auf großes Interesse in Washington. Die Politiker aus Teheran aber sagten ab - der Druck war einfach zu groß.

© SZ vom 24.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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