Interreligiöses Treffen:Pilgerreise für den Frieden

Lesezeit: 2 min

"Krieg kann vermieden werden": Papst Franziskus bei der Begrüßungszeremonie am Dienstag in Nursultan mit dem kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew. (Foto: Andrew Medichini/AP)

Papst Franziskus mahnt mehr Bereitschaft zum Dialog an. Wen er damit wohl gerade besonders meint?

Von Annette Zoch, München

Auf eine "Pilgerreise des Dialogs und Friedens" begebe er sich, sagte Franziskus vor seinem Abflug am Dienstagmorgen in Rom. Und damit meinte er wohl nicht nur den Anlass seiner Reise: Zum ersten Mal nimmt ein Papst am "Kongress der Führer der Welt- und traditionellen Religionen" teil - zu dem das zentralasiatische Land Kasachstan in die Hauptstadt Nursultan einlädt.

Den zweitägigen Kongress gibt es als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 seit 2003. Auf Initiative Kasachstans findet er alle drei Jahre statt. Insgesamt werden am Mittwoch und Donnerstag rund 100 Delegationen aus 50 Ländern erwartet. Neben gemeinsamen Gebeten und privaten Treffen will Franziskus auch eine öffentliche Messe feiern. In dem zentralasiatischen Land mit knapp 19 Millionen Einwohnern leben nur 125 000 Katholiken. Rund 70 Prozent der Kasachen sind Muslime, etwa 26 Prozent sind orthodoxe Christen. Franziskus will sich bei seinem Besuch auch mit Priesterseminaristen, Ordensleuten und Vertretern der Jesuiten treffen.

Mit wem der Papst auf dem Kongress genau sprechen wird, präzisierte der Heilige Stuhl bislang nicht. Neben Franziskus wird der Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universität, Scheich Ahmed Mohammad el-Tayeb, erwartet, außerdem der aschkenasische Oberrabbiner in Israel, David Baruch Lau, und der sephardische Oberrabbiner in Israel, Jitzchak Josef.

Einer wird fehlen bei dem Treffen der Religionsführer

Einer wird jedoch fehlen: Anders als ursprünglich vorgesehen kommt der Moskauer Patriarch Kyrill I. nicht. Der russisch-orthodoxe Kirchenführer unterstützt den von Wladimir Putin begonnenen Angriffskrieg seines Landes in der Ukraine, dies hat international scharfe Kritik ausgelöst und zu einer weiteren Zersplitterung der Orthodoxie geführt. Eine Begegnung mit dem Papst hätte deshalb als brisant gegolten. Franziskus hält den Gesprächskanal zu Kyrill offen, was dieser für sich als Unterstützung zu nutzen versteht. Im Juni hatte der Papst Kyrill sogar noch zum Namenstag gratuliert. Kritiker werfen Franziskus vor, er lasse sich vom Moskauer Patriarchen instrumentalisieren. Ein Treffen zwischen Kyrill und Franziskus, noch vor einem möglichen Besuch in Kiew, wäre von der Ukraine als Affront aufgefasst worden.

In einer Ansprache an Politiker und Diplomaten im Präsidentenpalast von Nur-Sultan sagte Franziskus: "Ich komme hierher im Verlauf des wahnsinnigen und tragischen Krieges, der durch die Invasion der Ukraine ausgelöst worden ist." Bisher hatte Franziskus Schuldzuweisungen an Russland und Putin vermieden, auch diesmal nannte er keine Namen, wohl aber den Auslöser für den Krieg - die Invasion durch fremde Truppen.

Franziskus verglich seine aktuelle Reise mit dem Kasachstan-Besuch von Papst Johannes Paul II., der wenige Wochen nach den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001 das größte muslimisch geprägte Land Zentralasiens besucht hatte. Damals sei es darum gegangen, die Hoffnung auf Frieden zu säen. Er sei nun während des laufenden Krieges in der Ukraine nach Kasachstan gereist, "um den Schrei der Vielen zu verstärken, die um Frieden flehen", so der Papst.

Zum Abschluss des Religionstreffens dürfte es eine gemeinsame Erklärung geben. Darin solle, sagte der Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in einem Interview mit Vatican News, dem Nachrichtenportal des Vatikans, "mit besonderem Nachdruck" auf ein Dokument verwiesen werden mit dem programmatischen Titel: "Über die Brüderlichkeit der Menschen für ein friedliches Zusammenleben auf der Welt". Das interreligiöse Dokument hatten Papst Franziskus und Großimam el-Tayeb 2019 in Abu Dhabi unterzeichnet. "Krieg kann vermieden werden, indem man einen Schritt zurück tritt, die Anschuldigungen, die Drohungen, die Ursachen des gegenseitigen Misstrauens niederlegt", sagte Parolin. Leider sei heutzutage die Fähigkeit, zuzuhören, und das Bemühen, die Gründe der Andersdenkenden zu verstehen, auf allen Ebenen zurückgegangen.

Knapp 1200 Kilometer südlich der kasachischen Hauptstadt wird nahezu gleichzeitig vermutlich ein weiteres Spitzentreffen stattfinden. Im Nachbarland Usbekistan werden sich am Donnerstag die Präsidenten Chinas und Russlands, Xi Jinping und Wladimir Putin, treffen. Es dürfte kaum ein Zufall gewesen sein, dass der Papst schon den Beginn seiner Reise nach Zentralasien zu einem Appell für Frieden und Dialog nutzte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: