Integration:Nach der ersten Hilfe

Lesezeit: 2 min

Wie sich Deutschland durch die Asylsuchenden verändert: Eine Tagung von Körber-Stiftung und "Süddeutscher Zeitung" appelliert an die Gemeinschaft. Notwendig sei eine mächtige Anstrengung.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Hamburgs erster Bürgermeister Olaf Scholz mag den kühlen Ton der hanseatischen Vernunft. Manchmal wirkt es so, als zelebriere er diesen Ton regelrecht, um sich abzugrenzen gegen die aufgeregte, nicht-hanseatische Welt, die sich um ihn herum in kleinmütigem Gezänk und wilden Fantasien aufreibt. Und auch am Mittwoch auf dem Podium der Körber-Stiftung in Hamburg ließ er sich nicht dazu bewegen, herzhaft auszuteilen.

Was er in der Flüchtlingspolitik besser machen würde als Angela Merkel, wenn er an deren Stelle säße, lautete die Frage. Die Chance war da, der CDU-Bundeskanzlerin die Welt zu erklären. Aber der SPD-Mann Scholz nutzte sie nicht, stattdessen verwies er darauf, dass manche Themen einfach zu groß seien, um sich dabei mit parteipolitischen Scharmützeln aufzuhalten.

"Nach der ersten Hilfe - Wie sich Deutschland durch die Flüchtlinge verändert" lautete der Titel einer Tagung, die Körber-Stiftung und Süddeutsche Zeitung in Zusammenarbeit mit dem NDR veranstalteten. Weniger um tagespolitische Fragen sollte es dabei gehen als vielmehr um die Zukunft der Integration von Menschen, die ihre Heimat wegen Krieg und Unterdrückung verlassen mussten. Olaf Scholz, in dem manche einen SPD-Kanzlerkandidaten der Zukunft sehen, war der prominenteste Gast. Er vereinte die beiden Ebenen der Debatte. Als Bürgermeister beschrieb er die Herausforderung der Kommunen, die vielen Flüchtlinge so unterzubringen, dass sich der Rest der Bevölkerung dadurch nicht eingeschränkt fühlt. Außerdem warb er im Dienste der Integration für eine klare Politik des Wachstums.

Als sozialdemokratischer Europa-Anhänger redete er über die ablehnende Flüchtlingspolitik von EU-Partnern wie Polen oder Ungarn, die im harschen Kontrast zu Merkels Weg steht. Zweifel an Europa deshalb? Nicht bei Scholz. "Die Größe der EU besteht doch nicht darin, dass sich alle einig sind. Sondern es ist die Gelegenheit, mit den anderen darüber streiten zu können", sagte er. "Ohne die EU hätten wir gar kein Recht, mit denen darüber zu reden."

Der Grüne Michael Kellner nennt die Lage "ziemlich besorgniserregend"

Der kluge Umgang mit der Flüchtlingssituation erfordert eine mächtige Gemeinschaftsanstrengung - das war die wichtigste Botschaft der Tagung. Allerdings wurde auch klar, dass Eintracht bei dem Thema nicht leicht zu bekommen ist. Nicht einmal in Deutschland, wo Behörden und Ehrenamtliche Herkules-Arbeiten leisten bei der Betreuung der Flüchtlinge. Die Behörden sind beim Helfen nicht so flexibel wie die Ehrenamtlichen. Es mangelt an der Koordinierung der Kräfte. Oft war die Rede davon, dass es Strukturen bräuchte, um die Welle der Hilfsbereitschaft zu bändigen.

Und in Europa sind die Gräben tief. "Viele fühlen sich von Deutschland überrannt", sagte Wawrzyniec Smoczynski, geschäftsführender Direktor der polnischen Online-Zeitung Polytika Insight, über die osteuropäische Haltung. Michael Kellner, politischer Bundesgeschäftsführer der Grünen, nannte die Lage "ziemlich besorgniserregend". Dafür gab der Berufsoptimist Olaf Scholz dem europäischen Konflikt über die Flüchtlingsfrage einen fast schon aufmunternden Klang. Er sagte: "Um diese gemeinsame Verantwortung müssen wir beherzt streiten."

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: