Impfstoff:Lieber Bester als Erster

Die Suche nach einem Vakzin bedingt auch Rückschläge.

Von Werner Bartens

Es klang nach deutscher Wertarbeit, was Jens Spahn verkündete. Es gehe nicht darum, Erster in der Entwicklung eines Impfstoffes zu sein, sondern um Wirksamkeit und Sicherheit. Normalerweise eine selbstverständliche Aussage. Seit Corona die Welt umklammert, muss betont werden, dass schneller in der Medizin nicht unbedingt besser bedeutet.

Russland und China sind in der Anwendung "ihrer" Impfstoffe vorgeprescht, und es ist ungewiss, ob die wichtige Phase III der klinischen Prüfung beendet wurde. Dem seltsamen Rennen um die Nationenwertung der schnellsten Forschung muss sich keiner anschließen. Die Tabellen mit Infektionszahlen und Gestorbenen sind bereits zu makabren Medaillenspiegeln geworden, die Wohlstand und Infrastruktur eines Landes anzeigen - sowie Weitsicht oder Ignoranz ihrer Politiker.

Auch wenn Deutschland die Impfstoffentwicklung mit Bedacht betreibt (und dennoch vorn dabei ist), werden sich Rückschläge kaum vermeiden lassen. Bei bis zu 30 000 Freiwilligen pro Studie wird es Erkrankungen und Todesfälle geben. Nicht immer wird sich klären lassen, was auf die Impfung zurückgeht, und was sowieso passiert wäre. Diese Unwägbarkeiten gehören zu jeder medizinischen Neuerung. Zur Normalität mit Corona gehört es, dass diese Risiken vehement in den Vordergrund drängen.

© SZ vom 16.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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