Image-Studie zu USA:Mr. Popular

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Obama hilft den Vereinigten Staaten aus dem Image-Tief: Eine Studie belegt das hohe Ansehen des US-Präsidenten in Europa - aber auch die Skepsis gegenüber seiner Politik.

Christian Wernicke

Europas Obama-Euphorie scheint ungebrochen und hilft den Vereinigten Staaten, ihr Image aufzupolieren. Acht Monate nach dem Machtwechsel im Weißen Haus hat sich die Zustimmung zum US-Präsidenten in elf EU-Staaten und der Türkei insgesamt vervierfacht: 77 Prozent sind für Obama, nach zuletzt nur noch 19 Prozent EU-Sympathie für dessen Vorgänger George W. Bush.

Zugleich befürwortet die Hälfte aller Europäer nun wieder eine weltweite US-Führungsrolle; vor einem Jahr wünschte dies nur jeder dritte Europäer. Allerdings könnten Obamas Flitterwochen mit der Alten Welt schnell enden. Denn die neue Umfrage, am Mittwoch vom German Marshall Fund (GMF) veröffentlicht, zeigt auch: Im Streit um den Kurs in Afghanistan, im Umgang mit Irans Atomprogramm oder beim Klimaschutz möchten Europäer und Amerikaner unterschiedliche Wege gehen.

Das heißeste Obama-Fieber messen die GMF-Experten in der Bundesrepublik. Dort erklären 92 Prozent aller Befragten, sie würden "zustimmen, wie US-Präsident Barack Obama internationale Politik betreibt". "Obama 2009" genießt damit beinahe achtmal soviel Zustimmung wie "Bush 2008".

Zum Bush-Kurs waren die Deutschen seit Beginn des Irak-Kriegs deutlich auf Distanz gegangen: Die Werte des Republikaners dümpelten seit 2003 stets unter 20 Prozent. Der Obama-Hype färbt auch auf seine Nation ab, die Deutschen entdecken gegenüber ihrer langjährigen Schutzmacht aus Zeiten des Kalten Krieges eine neue Zuneigung: Nach nur 39 Prozent in 2008 wünschen sich nun zwei Drittel aller Bundesbürger (65 %) "eine starke Führung in der Weltpolitik" durch die Vereinigten Staaten.

Doch die Obama-Mania kennt Grenzen. Anders als die Westeuropäer (86 Prozent) zeigen sich nur 60 Prozent der befragten Osteuropäer und nur 50 Prozent der Türken von Obamas Außenpolitik angetan. Gerade einmal jeder vierte Mittel- und Osteuropäer meint, die transatlantischen Beziehungen hätten sich während der vergangenen zwölf Monate verbessert. Derweil glaubt dies jeder zweite Deutsche oder Franzose. Ein Grund dafür dürfte sein, dass Polen und Tschechen, Rumänen wie Bulgaren nie Westeuropas abgrundtiefe Abneigung gegenüber Bush teilten.

Der Sozialwissenschaftler Bruce Stokes, der die GMF-Analyse leitete, erwartet, dass auch unter Deutschen, Briten, Franzosen, Italienern und Niederländern die Obama-Euphorie bald abkühlen wird. "Dies sind Extreme, solche Werte kann niemand auf Dauer halten", sagte Stokes der Süddeutschen Zeitung.

Erst mittelfristig werde sich erweisen, ob die achtjährige Bush-Präsidentschaft eine fundamentale Skepsis gegenüber den USA oder Anti-Amerikanismus geschürt hätten. Vorerst verweist Stokes auf das Jahr 2002, da noch 64 Prozent der Europäer amerikanische Führung wollten. Nun sei dieser Wunsch weniger ausgeprägt (50 Prozent in 2009).

Zugleich glaubt Stokes, die aktuelle Stimmungslage eröffne Amerika und Europa mehr Spielräume zum gemeinsamen Handeln. "Die Politik sollte diesen Moment nutzen", rät der GMF-Experte. Nach SZ-Informationen wollen das US-Außenministerium und das Weiße Haus auf die Umfrage verweisen, wenn sie nach den Wahlen im Herbst mit der neuen Bundesregierung etwa über Nato-Fragen beraten.

Jedoch zeigt die Umfrage auch, wie wenig Europas generelle Sympathie für Obama sich auswirkt auf die konkrete Politik: Selbst beim ausdrücklichen Verweis auf Obamas Wunsch, die Nato-Alliierten sollten sich in Afghanistan stärker militärisch engagieren, stimmen dem nur wenige Deutsche (13 Prozent), Franzosen (15 %) und Briten (23%) zu. Ohne Verweis auf Obama reduziert sich bei allen drei Völkern die prozentuale Zustimmung zur Entsendung weiterer Truppen nochmals um die Hälfte.

Afghanistan zeigt, wie unterschiedlich Europäer und Amerikaner die Welt deuten. Mehr als drei von fünf Befragten in den EU-Staaten und in der Türkei haben die Zuversicht verloren, die Nato könne die Lage dort dauerhaft stabilisieren. Ausgesprochen pessimistisch sind die Deutschen, die zu 75 Prozent nicht mehr an einen alliierten Erfolg glauben. Derweil äußern sich 56 Prozent aller Amerikaner optimistisch. Das hat Folgen: Mit Ausnahme der USA fordern Befragte in allen 13 Ländern mehrheitlich, ihre Regierung möge die eigenen Truppen in Afghanistan reduzieren oder abziehen.

Ein Grund für diese Differenz ist das unterschiedliche Verständnis über den Einsatz von Gewalt: Nur jeder vierte Europäer stimmt dem Urteil zu, Krieg sei "manchmal nötig für die Gerechtigkeit". 71 Prozent der Amerikaner stimmen dem Satz zu. 47 Prozent der Amerikaner sagen zudem, ihre Regierung solle gegenüber Iran durchaus mit Militärschlägen drohen, um as Atomprogramm zu stoppen. Hingegen wünschen nur 29 Prozent der Europäer solchen Druck.

Weiteres Konfliktpotential sieht die Studie beim Klimaschutz. Drei Monate vor der entscheidenden UN-Konferenz in Kopenhagen meint nur die Hälfte aller US-Bürger, der Klimawandel müsse international bekämpft werden. Hingegen setzen 81 Prozent der Europäer auf diese Zusammenarbeit gegen den Klimakollaps.

© SZ vom 10.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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