Hongkong:Wer protestiert, gilt nun als Feind der Bevölkerung

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Die Polizei geht mit Tränengas gegen die Demonstranten vor. (Foto: Thomas Peter/Reuters)
  • Bei den inzwischen fünf Monate andauernden Protesten in Hongkong ist die Lage erneut eskaliert.
  • Als ein Polizist einen 21-Jährigen anschoss und lebensgefährlich verletzte, kam es zu spontanen Demonstrationen.
  • Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam drohte den Demonstranten: Sie seien nun Feinde der Bevölkerung.

Von Lea Deuber, Peking

Mehr als fünf Monate nach dem Ausbruch der Massendemonstrationen in Hongkong ist es am Montag erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Über Stunden spielten sich in einigen Teilen der Stadt chaotische Szenen ab. Eskaliert war die Lage am Montag, als ein Polizist einen 21 Jahre alten Demonstranten anschoss und lebensgefährlich verletzte. Die Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten am Montag gehörten mit zu den blutigsten seit Beginn der Protestbewegung. Die Polizei setzte neben scharfer Munition auch Tränengas ein, Demonstranten warfen Steine und Brandsätze.

Die Demonstranten waren bereits am Wochenende und bis zum Montagmorgen auf die Straße gegangen und hatten Straßensperren errichtet. Auslöser der Proteste war der Tod eines 22-jährigen Studenten, der vergangene Woche auf der Flucht vor der Polizei von einem Parkhaus gestürzt und an seinen Verletzungen gestorben war. Videoaufnahmen der Schussszene von Montag verbreiteten sich schnell in sozialen Netzwerken und lösten spontan neue Protestaktionen aus. Ebenso tauchten Aufnahmen eines Polizisten auf, der mit hoher Geschwindigkeit auf einem Motorrad mehrmals in eine Gruppe Demonstranten steuerte. "Das sind keine Polizeimaßnahmen, das sind Beamte außer Kontrolle, die auf Vergeltung aus sind", kritisierte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

Regierungschefin Carrie Lam warnte die Demonstranten

Entsetzen löste auch der Angriff auf einen Mann aus, der anscheinend von einer Gruppe mit einer Flüssigkeit bespritzt und in Brand gesetzt wurde, nachdem er ihr "Ihr seid keine Chinesen" zugerufen hatte. Der Mann wurde mit schweren Verbrennungen ins Krankenhaus gebracht. Die Videoaufnahmen des Vorfalls wurden von vielen Staatsmedien in Festlandchina veröffentlicht und scharf kritisiert.

Regierungschefin Carrie Lam reagierte auf die schweren Krawalle mit einer Warnung an die Demonstranten. Wer hoffe, dass die Regierung sich dem Druck beuge, dem sei gesagt, dass dies nicht passieren werde, sagte Lam am Montagabend. Die Gewalt gehe inzwischen weit über die Forderungen nach Demokratie hinaus. Die Demonstranten seien nun die "Feinde der Bevölkerung". Sie werde alles daran setzen, die Gewalt zu stoppen und die öffentliche Ordnung wiederherzustellen.

Chinas Vizepremier Han Zheng hatte Lam erst vergangene Woche seine Unterstützung für aggressivere Maßnahmen zur Bekämpfung der Demonstrationen zugesagt. Kurz zuvor war ein Abgeordneter aus dem prochinesischen Lager bei einem Messerangriff verletzt worden. Im Oktober hatte Chinas Präsident Xi Jinping den Demonstranten in Hongkong offen mit Gewalt gedroht: "Jeder Versuch, wo auch immer in China, das Land zu spalten, wird mit zerschmetterten Körpern und zerschlagenen Knochen enden", sagte Xi bei einer Rede im Staatsfernsehen.

Protestikone Joshua Wong darf nicht zur Wahl antreten

Unklar ist, wie es in den kommenden Tagen weitergehen wird. In rund zwei Wochen stehen die Kommunalwahlen an. Möglicherweise könnte sich die Lage bis dahin weiter zuspitzen. Ende Oktober hatten die Behörden bereits den bekannten Aktivisten Joshua Wong von der Wahl ausgeschlossen. Der 23-Jährige setze sich für die "Selbstbestimmung" Hongkongs ein, so die Begründung der Behörden. Unter den mehr als 1100 Kandidaten ist er der einzige, der bisher nicht antreten darf. Chinas Führung hatte ihn bereits in der Vergangenheit angegriffen. Die Entscheidung war von Beobachtern als politisch motiviert kritisiert worden.

Auslöser der Demonstrationen in der chinesischen Sonderverwaltungszone war ein umstrittenes Auslieferungsgesetz mit Festlandchina. Zwar zog die Regierung die Pläne schließlich zurück, die Proteste gingen aber weiter. Die Demonstranten fordern inzwischen auch freie Wahlen, eine unabhängige Untersuchung der Polizeibrutalität und Straffreiheit für die mehr als 2000 Festgenommenen.

© SZ vom 12.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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