Hongkong:Gericht kippt Vermummungsverbot

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Das Urteil ist eine Niederlage für die Regierung. Die Zusammenstöße zwischen Aktivisten und Polizei gehen weiter.

Von Lea Deuber, Hongkong

Ein Gericht hat am Montag in Hongkong das Anfang Oktober verhängte Vermummungsverbot als verfassungswidrig erklärt. Für die Regelung hatte die Regierung ein Notstandsgesetz aus der britischen Kolonialzeit bemüht. Das Verbot von Maskierungen verstoße gegen das Grundgesetz der chinesischen Sonderverwaltungszone, befand das Gericht. Es wahre kein Gleichgewicht zwischen den Eingriffen in geschützte Rechte der Bürger und den gesellschaftlichen Zielen. Das Urteil sieht auch das Notstandsrecht im Widerspruch zum Grundgesetz, weil es die Regierungschefin Carrie Lam im Falle einer öffentlichen Gefahr zu weitreichenden Vollmachten ermächtige, erklärten die Richter. Das Gericht stellte klar, dass es ein Vermummungsverbot nicht grundsätzlich ablehne oder für verfassungsrichtig halte. Es hänge von den verfolgten Zielen und der Ausgestaltung ab.

Die Entscheidung ist eine herbe Niederlage für Hongkongs Regierungschefin. Mit dem Verbot hatte Lam versucht, die Ausschreitungen in der Sonderverwaltungszone unter Kontrolle zu bringen. Dort demonstrieren die Menschen seit fünf Monaten für mehr demokratische Mitbestimmung. Viele Menschen tragen bei Protestmärschen Masken, um zu verhindern, dass sie identifiziert werden können. Viele Arbeitnehmer untersagen den Angestellten die Teilnahme an solchen Märschen. Andere Demonstranten schützen sich mit Gasmasken vor dem Tränengas. Nach dem Urteil teilte die Regierung mit, dass das Verbot vorerst nicht weiter verfolgt werde.

Am Wochenende hatte sich die Lage in der chinesischen Sonderverwaltungszone erneut verschärft. Hunderte Demonstranten hatten sich am Samstag in einer Universität verbarrikadiert. Die Polizei versuchte mehrmals, das Gebäude zu stürmen. Bei den Zusammenstößen schleuderten radikale Aktivisten Brandsätze und legten Feuer. Seit Sonntag sind nach Behördenangaben mindestens 38 Menschen verletzt worden, darunter fünf schwer. Es gab Dutzende Festnahmen. Am Montag befanden sich immer noch schätzungsweise 100 bis 200 Menschen in der Universität. Die Polizei hinderte sie mithilfe von Gummigeschossen und Tränengas daran, das Gebäude zu verlassen. In den Stadtvierteln rund um die Universität lieferten sich Demonstranten bis tief in die Nacht Straßenschlachten mit der Polizei. Mittags gingen in der Innenstadt Tausende Berufstätige friedlich für die in der Universität eingeschlossenen Demonstranten auf die Straße.

Am Sonntag finden Distriktwahlen statt. Die Ereignisse des vergangenen Wochenendes hätten "die Chancen verringert", die Wahlen für die Bezirksräte abhalten zu können, erklärte die Regierung am Montag. Die Demonstranten hatten mit der Besetzung der Universität auch eine Zusicherung erwirken wollen, dass die Wahlen stattfinden.

© SZ vom 19.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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