Hochwasser:"Es ist eine Katastrophe"

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Der Ort Schuld in Rheinland-Pfalz: Ein Mann steht nach dem Unwetter in den Schuttbergen. Mindestens sechs Häuser wurden durch die Fluten zerstört. (Foto: dpa)

Dutzende Menschen sterben bei schweren Unwettern in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Die Ministerpräsidenten Malu Dreyer und Armin Laschet sichern schnelle Hilfe zu.

Von Oliver Klasen, München

Anhaltender Starkregen hat in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zu schweren Überschwemmungen geführt. Mindestens 58 Menschen sind nach einer vorläufigen Bilanz der Rettungskräfte in den Wassermassen ums Leben gekommen. Im rheinland-pfälzischen Kreis Ahrweiler starben 28 Menschen, im angrenzenden nordrhein-westfälischen Kreis Euskirchen 15 Personen, Todesfälle wurden auch aus Köln, Rheinbach bei Bonn, Unna, Solingen und dem Sauerland gemeldet. Die Zahl der Toten drohte am Donnerstag noch weiter zu steigen: In dem kleinen Eifelort Schuld, etwa 50 Kilometer südlich von Bonn, waren am frühen Morgen mehrere Häuser eingestürzt. Etwa 70 Menschen galten bis zum späten Nachmittag noch als vermisst. Es war unklar, ob die Bewohner möglicherweise in den Fluten ums Leben kamen oder nicht zu Hause waren.

Viele Flüsse und Bäche in den Bundesländern waren am Mittwoch und in der Nacht zum Donnerstag über die Ufer getreten. Straßen wurden überschwemmt, Keller liefen voll. An einigen Orten kamen innerhalb kürzester Zeit extreme Niederschlagsmengen zusammen. Den Spitzenwert verzeichnete dem Deutschen Wetterdienst zufolge Rheinbach-Todenfeld im Rhein-Sieg-Kreis mit 158 Litern pro Quadratmeter in 24 Stunden.

In Hagen, wo das Wasser kniehoch in der Stadt stand, musste ein Altenheim evakuiert werden. Soldaten retteten in einem Industriegebiet mit einem Schlauchboot Arbeiter, die 18 Stunden vom Wasser eingeschlossen waren. "Dass ganze Landstriche so verwüstet sind, das habe ich auch noch nicht erlebt", sagt ein Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks in Hagen.

Der Damm der Steinbachtalsperre drohte zu brechen

In Düsseldorf mussten bereits am Mittwochabend die Bewohner einer Siedlung in Sicherheit gebracht werden. In der Nähe von Trier war der 2000-Einwohner-Ort Kordel vom Wasser eingeschlossen. Auch im Trierer Stadtteil Ehrang, der direkt an der Mosel liegt, liefen Evakuierungen. Dramatisch war die Lage auch an der Steinbachtalsperre bei Euskirchen. Dort mussten zwei Ortsteile geräumt werden, weil ein Damm zu brechen drohte. Auch die Rurtalsperre drohte überzulaufen, warnte der Wasserverband Eifel-Rur am Donnerstagabend.

Der CDU-Kanzlerkandidat und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet sagte seine Teilnahme an einer CSU-Klausur in Bayern ab. Er war noch am Mittwochabend, als sich das Ausmaß bereits abzeichnete, ins stark betroffene Sauerland gereist, wo zwei Feuerwehrleute ums Leben gekommen waren. Am Donnerstag besuchte er die von extremer Flut betroffenen Stadt Hagen. Laschet lobte die gute Koordination der Rettungskräfte. "Hier in Hagen kann man exemplarisch sehen, wie gut die Zusammenarbeit funktioniert hat." Als noch niemand ahnen konnte, wie schlimm die Lage gewesen sei, habe man dort bereits die ersten Vorbereitungen für den Krisenstab getroffen.

Den Gebieten, die unter dem Hochwasser leiden, sicherte Laschet schnelle Hilfe zu. "Wir werden die Kommunen und die Betroffenen nicht alleinlassen", sagte er. Am Freitag werde das Landeskabinett zusammenkommen, um die Lage zu analysieren. Alle parteipolitischen Erwägungen müssten zurückstehen. Eine solche Hochwasserlage sei nichts, mit dem man wahlkampfträchtige "Bilder erzeugen will".

Dem Bundesinnenministerium zufolge waren am Donnerstag in den betroffenen Gebieten mehr als 15 000 Kräfte von Feuerwehr, Polizei, Hilfsorganisationen, Technischem Hilfswerk und Bundeswehr im Einsatz, um Menschen zu retten sowie Wohnungen, Betriebe und Infrastruktur vor dem Wasser zu schützen.

"Es ist eine Katastrophe", sagte Malu Dreyer (SPD), die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. So etwas "haben wir noch nicht gesehen. Es ist wirklich verheerend". Alle Einsatzkräfte seien "rund um die Uhr im Einsatz und riskieren ihr eigenes Leben". Die Menschen sollten Ruhe bewahren. "Wir mobilisieren alles, um Sie zu retten." Zusammen mit Innenminister Roger Lewentz und Kanzlerkandidat Olaf Scholz (beide SPD) wollte sie am Donnerstag in das Hochwassergebiet reisen.

Scholz brach deshalb seinen Urlaub ab. Auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kehrten frühzeitig von privaten Reisen zurück. "Das zerstörerische Ausmaß der Überschwemmungen ist erschütternd", teilte Baerbock mit. "Die Rettungskräfte tun alles, was sie können, unter Einsatz ihres Lebens. Das ist eine unglaubliche Leistung. Sie ihre Arbeit machen zu lassen und so gut wie möglich zu unterstützen, ist das Gebot der Stunde.

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel brachten ihre Betroffenheit zum Ausdruck. Wo die Bundesregierung helfen könne, werde sie das tun, sagte Merkel am Rande ihres Besuches in Washington. "Dies sind für die Menschen in den Überschwemmungsgebieten entsetzliche Tage. Meine Gedanken sind bei ihnen. Und sie können darauf vertrauen, dass alle Kräfte unseres Staates gemeinsam alles daran setzen werden, auch unter schwierigsten Bedingungen Leben zu retten, Gefahren abzuwenden und Not zu lindern."

Der Deutsche Wetterdienst warnte am Donnerstagabend für Wuppertal, Teile des Ennepe-Ruhr-Kreises, Hagen, Dortmund, Unna und Hamm erneut vor Gewittern mit heftigem Starkregen.

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