Potsdam (dpa/bb) - Brandenburg will eine eigene medizinische Universität in der Lausitz aufbauen. Die Landesregierung beschloss am Dienstag in Potsdam Leitlinien für das Milliarden-Vorhaben. Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) sagte: „Heute haben wir eine weitere Weiche für dieses Großprojekt gestellt.“ Nach dem Willen des Kabinetts könnte die neue Medizinerausbildung in Cottbus Mitte 2024 gegründet werden. Zum Wintersemester 2026/27 sollen dann die ersten Medizin-Studierenden starten. Das Konzept, das als zentraler Baustein für die Strukturentwicklung in der Kohleregion Lausitz gilt, muss nun erst dem Wissenschaftsrat zur Begutachtung vorgelegt werden.
Ursprünglich hatte es geheißen, die Medizinerausbildung solle an die Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg angegliedert werden. Eine Expertenkommission favorisierte nun aber eine eigenständige Universität. Sie soll mit der BTU kooperieren.
Die Präsidentin der Brandenburgischen Technischen Universität, Gesine Grande, äußerte Bedenken und hält vielmehr eine Einbettung in die BTU für den richtigen Weg. Mit einer neuen Hochschule sieht sie die Gefahr einer übermächtigen Konkurrenz. Vor zehn Jahren seien die Fachhochschule Senftenberg und die Uni Cottbus zur BTU fusioniert, die Restrukturierung habe Kraft gekostet. „Wir sehen eine neue Hochschule deshalb auch als Risiko“, so die BTU-Präsidentin, die in einem Brief Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) um Unterstützung bat. Das kursierende Argument einer Überforderung der Universität für solch ein riesiges Projekt hält Grande für ein „Totschlagargument“.
Der Aufbau des Innovationszentrums Universitätsmedizin Cottbus (IUC) erstreckt sich nach den bisherigen Plänen bis zum Jahr 2038. Es sind laut Mitteilung bis dahin Investitionen in Höhe von insgesamt 2,1 Milliarden Euro vorgesehen. Davon übernimmt der Bund nach Ministeriumsangaben 1,7 Milliarden Euro, das Land 400 Millionen Euro. Für den Neubau sind 31 000 Quadratmeter Fläche nötig - so viel wie etwa für vier Fußballfelder, wie die Projektbeauftragte Ulrike Gutheil sagte. Es sollen ingesamt 80 Professuren beteiligt sein.
Bis zum Jahr 2035 sollen 1300 Stellen in Forschung und Lehre geschaffen werden. Geplant seien 200 Studienplätze pro Jahr, teilte die Staatskanzlei mit. Im Endausbau werden etwa 1200 junge Menschen in Cottbus Medizin studieren, wie es hieß. In der Forschung sind die Schwerpunkte Gesundheitssystemforschung und Digitalisierung des Gesundheitswesens geplant. Das Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus soll zum Universitätsklinikum werden.
„Das IUC wird nicht einfach nur die 37. staatliche Universitätsmedizin in Deutschland“, sagte Ministerin Schüle. Krisen wie Corona, die demografische Entwicklung und die zunehmende Digitalisierung verlangten nach zeitgemäßen Antworten in der Gesundheitsversorgung. Die Verknüpfung von Versorgung, Lehre und Forschung mit den Schwerpunkten Gesundheitssystemforschung und Digitalisierung des Gesundheitswesens sei ein Profil, das es bisher nirgends in Deutschland gebe.
Die Corona-Pandemie habe allen vor Augen geführt, welchen Stellenwert eine höchst qualifizierte, leicht zugängliche und wohnortnahe Versorgung habe, sagte der Projektbeauftragte, der Mediziner und Wissenschaftsmanager Eckhard Nagel. Der medizinisch-wissenschaftliche Fortschritt biete neue Behandlungsmöglichkeiten, von denen alle Generationen profitierten. Zugleich sei der Fachkräftemangel spürbar. Nagel sprach davon, dass die Universitätsmedizin in Cottbus „Vorbildcharakter“ haben könne.
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