Hinrichtungen:Tod durch die Hand des Staates

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US-Prädidentschaftskandidat Obama fordert, dass auch Kinderschänder hingerichtet werden dürfen. Weltweit wird die Todesstrafe wegen ganz anderer Vergehen verhängt - allerdings immer seltener.

Berit Uhlmann

Die westliche Welt setzt enorme Hoffnungen in den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama: Liberal und weltoffen wirkt der Senator. Doch nun schärft der Demokrat sein Profil ausgerechnet mit einem international äußerst heiklen Thema: Obama plädiert dafür, die Todesstrafe auszuweiten und zumindest in Einzelfällen auch Kinderschänder hinzurichten.

Seit 44 Jahren kommen in den USA nur Mörder in die Todeszelle. (Foto: Foto: dpa)

Wie umstritten dieser Vorschlag ist, zeigt sich nicht zuletzt in dem jüngsten Urteil des Obersten Gerichtshof der USA. Die Richter hatten am Mittwoch befunden, die Todesstrafe für Kindesmissbrauch - die in einigen Bundesstaaten verhängt werden kann, aber seit Jahrzehnten nicht vollstreckt wird - sei unverhältnismäßig und damit nicht verfassungskonform.

Obama brachte für diese Ansicht kein Verständnis auf: Die Vergewaltigung eines sechs oder acht Jahre alten Kindes sei derart "abscheulich", dass die Todesstrafe dafür gerechtfertigt sei und kein Verstoß gegen die Verfassung sein könne, sagte er zur New York Times. Damit stellt er sich nicht nur gegen die obersten Richter seines Landes, sondern auch gegen eine weltweite Entwicklung.

Noch 24 Länder vollstreckten im vergangenen Jahr die Todesstrafe, unter ihnen zwei westliche Staaten: die USA und Japan. Dennoch stellt Amnesty-International-Experte Oliver Hendrich "ganz eindeutig" einen Trend gegen die Exekutionen fest. 1252 Gefangene seien 2007 hingerichtet worden, immerhin 339 weniger als im Jahr zuvor.

Hinrichtung wegen Homosexualität

Selbst China, mit mindestens 470 Hinrichtungen im vergangenen Jahr trauriger Spitzenreiter in der Todesstrafen-Statistik, verzeichnet nach den Schätzungen der Menschenrechtsorganisation einen Rückgang der Exekutionen, seit das oberste chinesische Gericht Anfang 2007 das Recht beanspruchte, alle Todessurteile zu bestätigen.

Wobei China aber dadurch auffällt, dass es die Todesstrafe auch für gewaltfreie Verbrechen wie Korruption oder Steuerhinterziehung vollstreckt. Auch einige islamische Länder ahnden gewaltlose Taten auf schärfste - Taten, die anderswo noch nicht mal strafbar sind. So gibt es hier zum Beispiel Exekutionen wegen Ehebruchs. Saudi-Arabien spricht Todesurteile sogar wegen Homosexualität aus.

Die Exekution von Kinderschändern - die Obama einforderte - ist nach Kenntnissen von Amnesty International hingegen nirgendwo an der Tagesordnung. Da die meisten Länder die Todesstrafen als Staatsgeheimnis betrachten, könne man Hinrichtungen von Kinderschändern allerdings nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, sagt Hendrich. Ganz überwiegend aber würden verurteilte Mörder getötet. Auch in den USA wurden nach Angaben aus Justizkreisen seit 44 Jahren nur Mörder hingerichtet.

Amnesty International bedauert Obamas Haltung, zumal sie selbst der amerikanischen Entwicklung entgegenläuft. Denn auch in den USA könne man "ein langsames Umdenken" beim Thema Todesstrafe beobachten, sagt Hendrich.

So stellt die Organisation bei den Geschworenen eine größere Zurückhaltung fest, Todesurteile zu verhängen, unter anderem weil in den vergangenen Jahren mehrere Fälle unschuldig Verurteilter bekannt wurden. 2007 hatte der Bundesstaat New Jersey die Todesstrafe abgeschafft, weil sie "mit den sich entwickelnden Standards des Anstandes unvereinbar" seien. Das jüngste Urteil des Obersten Gerichtshofs ist bereits das dritte, das die Anwendung der Todesstrafe einschränkt.

Und - auch dies wertete Amnesty als ein Indiz für ein Umdenken - Obamas ehemalige Konkurrentin Hillary Clinton hatte in ihrem Konzept zur Kriminalitätsbekämpfung das Wort "Todesstrafe" tunlichst vermieden. Obamas Kommentierung des Urteils klang dagegen eher wie die des republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Auch John McCain sah nach Angaben der New York Times in dem Beschluss des Supreme Court einen "Angriff" auf die Bemühungen der Justiz, sah "diese abscheulichen Verbrecher" zu bestrafen.

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