Hilfe für Griechenland:Zornige Mails und nutzlose Vorschläge

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Bei Bürgern und Politikern wächst der Unmut über die Finanzhilfe für Athen. Nun soll die Kanzlerin ihre Politik besser verteidigen.

S. Braun und J. Schneider

Die Union möchte gerne "nah am Menschen" sein, wie sie oft sagt. Derzeit bekommt sie zu spüren, wie sich das im unangenehmsten Fall anfühlt. Wie zu hören ist, stapeln sich in der Partei und noch mehr in der Fraktion zornige Mails, Briefe und Berichte aufgebrachter Bürger.

Hilfe für Griechenland ist nötig, um Schlimmeres zu verhindern - Angela Merkel soll ihre Politik nun besser erklären. (Foto: Foto: Reuters)

Bürger, die sich ärgern. Bürger, die mit Verweigerung drohen und keine Steuern mehr zahlen möchten. Bürger, die einen Brass haben auf Griechenland und jede Hilfe für den europäischen Partner ablehnen. Einer, der derlei Mails und Briefe derzeit zuhauf liest, kommt zu dem trockenen Ergebnis: "Bei uns brennt die Luft."

Es sind vor allem einige Boulevard-Medien, die anti-griechische Ressentiments befeuern. Das mag die Hemmungen der Bürger gesenkt haben, ihren Ansichten freien Lauf zu lassen. Darüber sollte sich die Union nicht wundern. Auch aus ihren eigenen Reihen kamen Boulevard-trächtige wie nutzlose Vorschläge. So empfahl der Chef der Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, allen Ernstes, Athen möge seine Inseln verpfänden.

Inzwischen ist die Aggression der Menschen derart angestiegen, dass sich in der Unionsfraktion die Sorge verbreitet, die anti-griechische Kampagne könne zu einem großen Problem werden, nicht nur bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen. Dass auch die Bundeskanzlerin selbst derlei befürchtet, bewies Angela Merkel am Montag im CDU-Präsidium. Eindringlich wie selten habe sie über die Währungskrise gesprochen und um Vernunft gebeten, berichten Teilnehmer.

Ja, das Thema sei schwierig; ja, es sei nicht einfach, mögliche Hilfen für das Land angesichts hoher eigener Schulden zu begründen. Trotzdem, so werden Merkel und Schäuble von Teilnehmern zitiert, sei die Hilfe am Ende unausweichlich, wenn man noch Schlimmeres verhindern wolle.

Das, so heißt es aus Parteikreisen weiter, gelte im übrigen auch für die Idee mancher, Griechenland sollte doch die gemeinsame Währung wieder aufgeben. "Das wird viel teurer, weil Griechenland mit einer Rückkehr zur Drachme seine Euro-Schulden niemals begleichen könnte", verlautet es aus der Parteispitze.

Merkels Auftritt wird als Bemühen gedeutet, den anti-griechischen Gefühlen in den eigenen Reihen etwas entgegenzuhalten. Trotzdem wächst in Partei und Fraktionsführung bei vielen der Wunsch, die Kanzlerin möge die Zwänge und Begründungen vor einem größeren Publikum offenlegen - und auf diese Weise gegen die Stimmungsmache des Boulevards kämpfen.

Einen ersten Versuch hatte sie am Montag im Kanzleramt unternommen. Wirklich wirkungsvoll war das nicht, was auch daran lag, dass außer einigen Fernsehsendern keinem Medium Einlass gewährt wurde. "Merkel muss die Griechenlandkrise erklären und für die Hilfe kämpfen" - so ist es in Partei und Fraktion immer wieder zu hören.

Dass das nicht einfach ist, wissen alle. "Griechenland wirkt gerade für bürgerliche Wähler demotivierend. Das ist gefährlich", erzählt einer aus der Parteiführung. Entscheidend für die negative Stimmung, so erklärt er, sei das "Also doch" am Samstag auf der Titelseite der Bild-Zeitung gewesen.

Dessen Wirkung, so ist jetzt allenthalben zu hören, kann gar nicht überschätzt werden. Tage zuvor hatte dasselbe Medium die Kanzlerin als neuen eisernen Bismarck gelobt, weil sie gegen den Wunsch vieler anderer EU-Staaten eine härtere Linie durchgesetzt hatte. Das "Also doch" klingt seither wie Merkels Umfaller.

Hinzu kommt: Alle in der Unionsführung wissen, dass nun bald erste Sparlisten auftauchen werden, mit denen die Bundesregierung versuchen wird, die Regeln der neuen Schuldenbremse in den nächsten Jahren einzuhalten. Damit steht eine gefährliche Gegenüberstellung schon fest: "Für Griechenland ist noch Geld da, aber für uns nicht." Wie sagte ein prominenter Christdemokrat am Dienstag: "Bei diesem Thema wird es schwer werden, nicht zu verlieren."

Beruhigen dürfte die Kanzlerin, dass sich unter den CDU-Regierungschefs aus den Ländern bisher kein Widerstand gegen formiert. Stefan Mappus klagt in Stuttgart, "dass in einer Wertegemeinschaft betrogen worden ist, über Jahre haben die Zahlen Griechenlands nicht gestimmt". Doch seien die Finanzhilfen ökonomisch betrachtet alternativlos.

Ähnliches ist aus allen anderen CDU-geführten Bundesländern zu hören, selbst aus Düsseldorf, wo der Wahlkampf zum Populismus verlocken könnte. "Wir werden helfen", sagt Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, es gebe aber keinen Blankoscheck für Athen.

© SZ vom 28.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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