Hans Haacke:Vorreiter einer aktivistischen, politisch wachen Kunst

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Hans Haacke 2015 vor seinem "Geschenkten Gaul" auf dem Londoner Trafalgar Square (Foto: AP)

Unerwartet kürt das "Monopol"-Magazin Hans Haacke zur einflussreichsten Persönlichkeit der Kunstwelt. Zu Recht.

Von Catrin Lorch

Lange galt er als der Komplizierte, der Spröde unter den lebenden Künstlern. Einer, der nachbohrt und sich nicht um die Gepflogenheiten und Gebote der Kunst schert. Doch jetzt ist der Moment da, für Hans Haacke, 83. Er führt nicht nur unerwartet die Rangliste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Kunstwelt an, die das Berliner Magazin Monopol am Dienstag veröffentlichte. Seit der Eröffnung seiner Ausstellung im New Yorker New Museum feiert auch die Kunstwelt einhellig diesen Vorreiter einer aktivistischen, politisch wachen Kunst. Er sei "einer der konsequentesten, kompromisslosesten Figuren der amerikanischen Kunst", schrieb die New York Times, die den in Köln geborenen Haacke, der 1961 in die USA zog, damit endgültig eingemeindet.

Dabei galt seine Kunst als so kontrovers, dass seine erste Museumsausstellung vom Solomon R. Guggenheim Museum 1971 sogar abgesagt wurde. Man fürchtete, Haackes forensische Dokumentation von Immobiliengeschäften in Manhattan sei der Öffentlichkeit nicht zuzumuten. Auch in Deutschland sorgten Werke von Haacke, dessen Hauptthemen die verborgenen Zusammenhänge zwischen Kunst, Wirtschaftsmacht und Politik sind, für Debatten. Die Schenkung eines Manet-Stilllebens für das Kölner Wallraf-Richartz-Museum, die der Bankier Hermann Josef Abs angestoßen hatte, nahm Haacke zum Anlass, dessen Verstrickungen in der NS-Zeit zu recherchieren. Daraufhin verweigerte das Museum ihm die Ausstellung.

Sein Beitrag "Der Pralinenmeister" für die epochale Westkunst-Ausstellung wurde vom Kurator Kasper König in eine Galerie ausgelagert, weil Haacke dafür das geschäftliche Gebaren des Schokoladenfabrikanten und Mäzens Peter Ludwig recherchiert hatte, für dessen Sammlung die Stadt Köln damals ein Museum baute. Im deutschen Pavillon auf der Biennale von Venedig ließ er den Fußboden aufbrechen, im Bundestag installierte er eine Neonschrift ("Der Bevölkerung") und bat die Abgeordneten, davor Heimaterde aus ihrem Wahlkreis auszukippen, womit er kritisch an die Blut- und Boden-Ideologie der NS-Zeit erinnern wollte - und genau dafür kritisiert wurde.

Kunstwerk am Trafalgar Square
:Geschenkter Gaul

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Vor allem die aktivistische, junge Generation von Künstlern sieht in ihm nun einen Vorreiter, der, so heißt es in Monopol "alles schon vorgemacht hat: politische Wachsamkeit, direkte Debattenbeiträge, Unbestechlichkeit und nicht zuletzt eine scharfe Institutionskritik, auch auf die Gefahr hin, die eigene Karriere zu gefährden". Endlich wird Haacke, der sich jahrzehntelang allen romantischen Verklärungen zeitgenössischer Kunst als Ausdruck von Kreativität oder Identität verweigert hat, in seiner Bedeutung wahrgenommen. Sein "Geschenkter Gaul", ein gewaltiges Metallpferd, um dessen Hufe sich eine Leuchtschrift mit Börsenkursen ringelt, wurde in den vergangenen Jahren auf einem sonst leeren Sockel auf dem Londoner Trafalgar Square und auch im Haus der Kunst gezeigt.

Im Gespräch mit der SZ gab er 2015 zu bedenken, dass auch europäische Museen auf die Arbeit mit Sponsoren angewiesen sind. "Das liegt in der Natur der Sache", sagte Haacke. "Damit kommen sie in neue, von Imagepflegern verwaltete Abhängigkeiten. Die schönen Künste dienen, wie es in der Fachsprache heißt, dem Imagetransfer."

Der letzte Raum seiner aktuellen Schau in New York gilt der Documenta in Kassel, der bedeutendsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst überhaupt. Zu der Weltkunstschau war Hans Haacke insgesamt fünf Mal eingeladen - doch die Fotografien, die gezeigt werden, entstanden bereits, als er als Student an der dortigen Kunsthochschule beim Wachpersonal angeheuert hatte. In jenem Sommer, so schrieb er einmal, begann sein Werk, als er aus nächster Nähe die Akteure des Kunst-Systems beobachten - und fotografieren - konnte. Hans Haacke sagte dazu: "Damals habe ich meine Unschuld verloren."

© SZ vom 21.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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