Guttenberg: Abschied mit einer Rock-Hymne:Rauch über Berlin

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Beim Zapfenstreich für Karl-Theodor zu Guttenberg wird heute Abend "Smoke on the Water" ertönen - Sinnbild für Chaos, wilde Emotionen und verbrannte Erde. Was verrät das über den Ex-Verteidigungsminister?

Johannes Waechter

Da muss man als Musikliebhaber erstmal tief durchatmen: Zum Abschied von Karl-Theodor zu Guttenberg wird nun also "Smoke On The Water" ertönen. So berichtet es zumindest die Hessisch/Niedersächsische Allgemeine unter Berufung auf einen Sprecher des Stabsmusikkorps der Bundeswehr. Damit hat Guttenberg für seinen Großen Zapfenstreich zwar keinen der zahlreichen Songs ausgewählt, die letzte Woche für ihn gesammelt wurden; aber doch einen, der gut dazu gepasst hätte. "Smoke on the water / Fire in the sky", heißt es im Text; Sinnbild für Chaos, wilde Emotionen und verbrannte Erde.

Karl-Theodor zu Guttenberg hat bereits einige Male versucht, seinem aristokratischen Habitus eine volkstümliche Facette hinzuzufügen. (Foto: AP)

Was verrät diese Wahl über Guttenberg? Zuerst einmal ist hier das Anliegen erkennbar, seinem aristokratischen Habitus eine volkstümliche Facette hinzuzufügen. So war auch schon sein Bekenntnis zu AC/DC zu verstehen; leider sah er in seiner Lederjacke jedoch arg verkleidet aus. Hinter der Wahl von "Smoke On The Water" steht das Bedürfnis, es möglichst vielen Menschen Recht zu machen. Die Zustimmung, die der alte Deep-Purple-Heuler genießt, dürfte nur noch von Wolfgangs Petrys "Wahnsinn" und John Denvers "Take Me Home, Country Roads" übertroffen werden - auch das sicherlich geeignete Zapfenstreich-Lieder. So ein Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle ...

Zugleich lässt Guttenberg wenig Musikgeschmack erkennen: Man darf befürchten, dass sich "Smoke On The Water" eher bescheiden anhören wird. Im Original handelt es sich um einen von der Gitarre dominierten Rocksong, und es ist schwierig, so etwas einigermaßen wirkungsvoll mit einer Blaskapelle nachzuspielen. Statt erhaben, klingen diese Versuche meist unfreiwillig komisch.

Da passen die beiden anderen Stücke, die Guttenberg ausgewählt hat, schon besser zu ihm. "Smoke On The Water" wird von zwei traditionellen Militärmärschen eingerahmt: "Der große Kurfürst" und "Ludwig II." sind einem bayerischen König und einem preußischen Fürsten gewidmet; passend für einen Mann, der den Gestus des Herrschers nie ganz ablegen konnte.

Blickt man in die jüngere Geschichte zurück, so fällt auf, dass andere scheidende Politiker mehr Musikgeschmack bewiesen haben als Karl-Theodor zu Guttenberg. Horst Köhler ließ sich im vergangenen Jahr zum Beispiel mit dem "St. Louis Blues" verabschieden. Der Klassiker von W.C. Handy klang exzellent, als er vom bläserdominierten Stabsmusikkorps gespielt wurde; außerdem passte die Melancholie dieses Evergreens gut zur Tragik, die den gescheiterten Präsidenten Köhler umgab.

Als Guttenbergs Vorgänger Franz Josef Jung aus dem Amt schied, erklang Andrea Bocellis "Time To Say Goodbye" - Kitsch, fürwahr, aber immerhin thematisch passend. Peter Struck suchte sich für seinen Zapfenstreich das hundert Jahre alte Arbeiterkampflied "Wann wir schreiten Seit' an Seit'" aus, mit dem die SPD lange ihre Parteitage beendete. Dieses Lied im Fackelschein am Bendlerblock ertönen zu lassen, hatte schon fast eine subversive Note.

Unvergessen ist schließlich der Große Zapfenstreich für Gerhard Schröder. Dass er "My Way" spielen ließ, die Welthymne der Machos und Sturköpfe, trug ihm eine Menge Spott ein. Aber musikalisch war es eine gute Wahl: Als ein Solo-Trompeter die Melodie in den Nachthimmel schickte, klang das durchaus ergreifend. Auch mit seinen anderen Stücken bewies Schröder Geschmack: George Gershwins "Summertime" und Kurt Weills "Moritat von Mackie Messer" eignen sich beide hervorragend für größere Blaskapellen. Außerdem drücken auch diese beiden Stücke jene Mischung aus Melancholie, Zerknirschtheit und leisem Aplomp aus, die dem Abschied aus einem hohen Amt angemessen ist.

Im Gegensatz dazu verabschiedet sich Karl-Theodor zu Guttenberg heute mit einem letzten hohlen Dröhnen.

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