Gülen-Anhänger:Türkei: Mehr als 1000 Festnahmen

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Anhänger des Predigers Gülen fühlen sich auch in Deutschland unter Druck, kritisierte die Islamkennerin Lale Akgün.

Türkische Sicherheitsbehörden haben vergangene Woche 1098 Menschen im Zusammenhang mit dem Putschversuch vor einem Jahr oder mutmaßlicher Verbindungen zu militanten Gruppen festgenommen. 831 Personen hätten mutmaßlich Verbindungen zur Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen, teilte das Innenministerium am Montag in Ankara mit. Ihn sieht die Regierung als Drahtzieher des gescheiterten Putschversuchs vom Juli 2016, was Gülen von sich weist.

213 Menschen wurden wegen angeblicher Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK festgenommen, 54 wegen mutmaßlicher Kontakte zu der Dschihadisten-Miliz IS oder zu "linken Terrorgruppen". Wegen mutmaßlicher Kontakte zur Gülen-Bewegung wurden in den vergangenen zwölf Monaten rund 50 000 Menschen festgenommen. Auch Bundesbürger sind darunter, was die Beziehungen zu Deutschland massiv belastet. Mehr als 150 000 weitere Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, der Justiz, der Polizei und des Militärs wurden entlassen oder vom Dienst suspendiert.

Anhänger des von Ankara als Staatsfeind eingestuften Islam-Predigers Gülen fühlen sich offenbar auch in Deutschland als in Bedrängnis geraten. Ihre Zahl habe sich von geschätzten 100 000 bis 150 000 Menschen vor dem Putschversuch in der Türkei auf nun 60 000 bis 80 000 Sympathisanten fast halbiert, sagte Ercan Karakoyun, Vorsitzender der Stiftung Dialog und Bildung (SDUB), der Deutschen Presse-Agentur.

"Wir haben viele Engagierte verloren. Im Bildungsbereich viele Eltern und Schüler vor allem in den Nachhilfezentren", schildert die Lage Karakoyun, der als Ansprechpartner der Gülen-Bewegung fungiert. Die Angst vor Repressalien sei groß. Von rund 30 Gülen-nahen, staatlich genehmigten Privatschulen etwa in Köln, Wuppertal, Berlin, Hamburg, Hannover, Stuttgart, Mannheim, Böblingen oder bei Frankfurt mussten bereits zwei inzwischen schließen - die in Würzburg und in Ludwigsburg.

Die Anhänger von Fetullah Gülen würden wie "Aussätzige" behandelt, Eltern bedrängt, ihre Kinder aus den Schulen abzumelden, so kritisierte die Islamkennerin und frühere Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün. Die Schulministerin von Nordrhein-Westfalen, Yvonne Gebauer (FDP), sagte dazu: "Die freie Schulwahl ist ein hohes Gut." Wenn sich Eltern unzulässig unter Druck gesetzt oder bedroht fühlten, sollten sie sich an die Sicherheitsbehörden wenden, rät sie. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan geht rigide gegen Anhänger des im US-Exil lebenden Klerikers vor. Die islamisch-konservative Bewegung des Predigers Gülen ist aber auch in Deutschland nicht unumstritten.

© SZ vom 01.08.2017 / Reuters, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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