Guatemala:Mit Tränengas gegen die Verzweifelten

Lesezeit: 2 min

Auch gegen Kinder und Jugendliche gehen Polizei und Soldaten hart vor. Diese Emigranten aus Honduras wurden am Montag in Vado Hondo, Guatemala, aufgehalten. (Foto: Johan Ordonez/AFP)

Mit zunehmender Gewalt versuchen Militär und Polizei in Zentralamerika, Auswanderer auf ihrem Weg in die USA aufzuhalten. Doch die nahende Vereidigung Joe Bidens schürt die Hoffnungen der Migranten.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

In Zentralamerika kommt es zu immer heftigeren Zusammenstößen zwischen Migranten, Soldaten und der Polizei. Im Süden Guatemalas gingen am Montag Sondereinheiten in Kampfanzügen mit Tränengas und schweren Knüppeln gegen eine Gruppe von mehreren Tausend Männern, Frauen, Jugendlichen und auch kleinen Kindern vor. Einige von ihnen schwenkten weiße Fahnen, andere hielten die Flaggen der USA oder von Honduras hoch.

In dem südlichen Nachbarland Guatemalas hatten sich bereits Ende vergangener Woche Hunderte Menschen zu einer sogenannten Karawane zusammengeschlossen. Von dort aus hatte sich der Zug dann auf den Weg nach Norden gemacht, nach Guatemala, Mexiko und vor allem in Richtung der Vereinigten Staaten.

Unmittelbar vor der Einführung des neuen US-Präsidenten sorgt der Migranten-Treck für Aufregung; dazu ist er der erste in diesem Jahr und einer der größten seit Beginn der weltweiten Corona-Pandemie. Grundsätzlich ist das Phänomen der zentralamerikanischen caravanas aber nicht neu. Seit mehreren Jahren schließen sich immer wieder Gruppen von teils Tausenden Menschen zusammen, um gemeinsam von den Ländern Zentralamerikas aus Richtung Norden zu laufen. Die Gruppe bietet dabei Schutz, sowohl vor Kriminellen und Drogengangs als auch vor Polizisten und den Einwanderungsbehörden der jeweiligen Länder.

In der Vergangenheit schafften es große Gruppen immer wieder bis an die Nordgrenze Mexikos mit den USA. Unter Androhung von Strafzöllen und mit dem Versprechen von finanzieller und logistischer Hilfe erreichte US-Präsident Donald Trump aber Abkommen mit einigen Ländern der Region, darunter vor allem Guatemala und Mexiko. Migranten werden nun meist schon aufgehalten, bevor sie überhaupt die US-Grenze erreichen.

Gewalt und Armut vertreiben die Menschen aus ihrer Heimat

Dass sich nun dennoch mehrere Tausend Menschen abermals aufgemacht haben zu einem beschwerlichen, gefährlichen und gleichzeitig immer aussichtsloseren Marsch, zeigt, wie verzweifelt die Lage in vielen Teilen Zentralamerikas ist. Gewalttätige Gangs kontrollieren in Ländern wie Honduras, El Salvador oder auch Guatemala ganze Stadtteile und Landstriche, die Mordraten gleichen teilweise den Totenzahlen in manchen Kriegsgebieten, dazu kommen Korruption, Arbeitslosigkeit, Dürren und Unwetter.

Allein vergangenes Jahr verwüsteten innerhalb weniger Wochen gleich zwei Hurrikane hintereinander große Teile von Honduras. Straßen, Brücken, Häuser und Ernten wurden zerstört, noch immer sind viele Menschen obdachlos. Dazu hat die Corona-Pandemie die Region zusätzlich schwer getroffen, viele Menschen haben ihre Jobs verloren.

Angesichts von Armut, Gewalt und Not sehen viele Menschen ihren einzigen Ausweg in der Flucht nach Norden. Dass diese Woche mit Joe Biden ein neuer US-Präsident vereidigt wird, glauben Experten, könnte vielen Menschen zusätzlich Hoffnung machen. Die Regierung Donald Trumps hatte den Kampf gegen die in ihren Augen illegale Migration aus dem Süden zu einer ihrer obersten Prioritäten gemacht. An der Grenze zu Mexiko entstand eine höchst umstrittene Mauer, Einwanderer ohne Papiere wurden angeklagt und eingesperrt und Tausende Kinder systematisch von ihren Eltern getrennt. Noch immer haben nicht alle Familien wieder zusammengefunden.

Trumps Abkommen wird auch Biden wohl nicht aufkündigen

Der neue US-Präsident könnte nun die rigide Null-Toleranz-Politik seiner Vorgängerregierung beenden, so die Hoffnung. Im besten Falle könnten Menschen, die teilweise seit Jahren ohne gültige Papiere in den USA leben, eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, eine Arbeitserlaubnis oder sogar die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.

Gleichzeitig aber ist es unwahrscheinlich, dass die Vereinigten Staaten in der nahen Zukunft jene Abkommen wieder aufkündigen, die mit Staaten wie Mexiko oder Guatemala geschlossen wurden, damit diese Migranten schon auf ihrem Staatsgebiet aufhalten.

Angesichts der aktuellen Lage forderte der Präsident Guatemalas das Nachbarland Honduras auf, die Menschenzüge aufzuhalten. Dort wiederum verlangte man eine Aufklärung des gewaltsamen Vorgehens der Polizei Guatemalas. Dazu erklärte die Regierung von Honduras, dass Migration ein Menschenrecht sei.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: