Als sie in Guatemala-Stadt aus dem Flugzeug stiegen, war der Vertreter der USA schon da: Sie seien eine Hoffnung für ihr Land, sagte Kevin McAleenan über die zurückkehrenden Migranten. Doch denen war das egal, sie zogen sich die T-Shirts über den Kopf, damit man ihre Tränen nicht sah. Das berichtete die New York Times von der Mittelamerikareise McAleenans. Donald Trumps stellvertretender Minister für Heimatschutz und Kommissar für Zoll- und Grenzschutz wollte sich Anfang Juni ein Bild machen von den Rückführungen der Auswanderer. Ihre Fähigkeiten könnten Guatemala voranbringen, sagte er. Doch die meisten Guatemalteken sehen in ihrem Land keine Perspektive. Daran haben auch die Präsidentenwahlen von Sonntag nichts geändert.
Mehr als zwanzig Kandidaten traten an, nur wenig mehr als die Hälfte der Berechtigten ging laut vorläufigen Auszählungen zur Wahl. Keiner der Kandidaten schaffte es, eine ausreichende Mehrheit hinter sich zu bringen, vorne lag am Montag mit 25 Prozent die 63-jährige Sandra Torres, vor dem gleichaltrigen, rechtsgericheten Ex-Funktionär Alejandro Giammattei. Torres ist die Ex-Frau des früheren Präsidenten Álvaro Colom, der sich als Sozialreformer aufspielte und nach seiner Amtszeit wie die meisten Präsidenten Guatemalas wegen Korruption und Bereicherung strafrechtlich verfolgt wurde. Dafür kann Torres zwar nichts, doch die Hoffnung, die von ihr ausgeht, ist gering. Sie gehört zum Establishment, das sich die Türklinke des Präsidentenpalastes in die Hand gibt; sie hat im Wahlkampf nicht mal versucht zu versprechen, mit den Hauptübeln aufzuräumen: Kriminalität, Korruption, Drogenhandel.
Guatemala ist eines der gefährlichsten Länder der Welt, die Mordrate wird nur übertroffen von den Nachbarstaaten. "Das Territorium Guatemalas ist und bleibt ein Korridor für Drogen", schrieb die Tageszeitung Prensa Libre. Die Oberschicht ist vielfach verwickelt in dunkle Deals. Investitionen über Geldwäsche haben sogar zu einem Wachstum von 3,5 Prozent geführt, doch davon profitieren wenige, die Armutsquote liegt bei über 50 Prozent. Anderthalb Millionen Guatemalteken leben in den USA, ihre Überweisungen sind die wichtigste Einnahmequelle der meisten Familien. Von den Hunderttausenden Flüchtlingen aus der caravana migrante, die zuletzt versucht haben, illegal in die USA zu gelangen, stammen die meisten aus Guatemala.
Laut einer von der BBC publizierten Umfrage trauen nur 15 Prozent der Guatemalteken den Parteien, nur 35 Prozent versprechen sich etwas von Wahlen. Für die indigene Straßenhändlerin in Quetzaltenango, die Tagelöhner in den Palmölplantagen oder die Büromenschen, die sich jeden Tag durch die Blechlawine von Guatemala-Stadt kämpfen, spielt es eine untergeordnete Rolle, wer im Präsidentenpalast sitzt: ein Ex-General, eine Aktivistin oder ein früherer Fernsehclown wie Jimmy Morales, der die letzten vier Jahre regierte, ohne an der desolaten Lage das Geringste zu ändern. Im Gegenteil: der UN-Kommission gegen Straflosigkeit und Korruption wies er die Tür. Und selbst Auswanderung ist schwieriger geworden: Am Grenzfluss Suchiate ist die mexikanische Nationalgarde aufmarschiert, auf Druck der USA. Darüber hinaus hat Donald Trump die Finanzhilfe gekürzt, weil die Länder Mittelamerikas zu wenig täten, um Migranten zu stoppen.
US-Staatssekretär Kevin McAleenan hörte sich bei seinem Besuch immerhin geduldig an, was die Streichung der Dollarhilfe für die Bauern von Nueva Santa Rosa bedeutet. Er versprach, ein gutes Wort bei Trump für sie einzulegen. Der Präsident aber hat eine andere Art von Hilfe im Sinn: 80 US-Spezialagenten sollen nun lokale Behörden ausbilden, damit sie die Migration aufhalten.