Guatemala:Kongress in Flammen

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Flammen züngeln aus einem Flur des Kongressgebäudes, nachdem Demonstranten es in Brand gesteckt haben. Der Protest richtet sich gegen die hohe Verschuldung für den Rekord-Haushalt. (Foto: Oliver De Ros/dpa)

Inmitten von Naturkatastrophen verabschiedet das Parlament in Guatemala einen umstrittenen Rekord-Haushalt. Wütende Demonstranten fordern den Rücktritt des Präsidenten.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Spätestens als am Samstagnachmittag das Parlament von Guatemala buchstäblich in Flammen aufging, war klar: Die Lage ist ernst. Tausende Menschen protestierten da schon seit Stunden in mehreren Städten des zentralamerikanischen Landes, zunächst meist friedlich, dann aber kippte die Stimmung. In der Hauptstadt verschafften sich Demonstranten Zugang zum Kongress und legten Feuer, andere warfen Steine in Richtung der Polizei. Diese antwortete mit Tränengas und Pfefferspray.

Auslöser der Massenproteste vom Samstag war der Rekord-Haushalt, den das guatemaltekische Parlament Anfang dieser Woche verabschiedet hat. Für 2021 sieht er Ausgaben von umgerechnet fast elf Milliarden Euro vor. Das ist rund ein Viertel mehr, als noch im Jahr zuvor und weit mehr, als das kleine Land erwirtschaftet. Guatemala müsste sich für den neuen Haushalt hoch verschulden.

Abgeordnete erhalten mehr Mittel, aber das Geld für Bildung und Gesundheit wird zusammengestrichen

Während sich die Parlamentarier in dem Ausgabenplan aber unter anderem die Mittel für die eigene Verpflegung erhöhten, wurden Gelder für Bildung, Menschenrechte, das Gesundheitssystem und Strafverfolgung zusammengestrichen. Und während der Haushalt im Eiltempo im Parlament verabschiedet wurde, flutete ein Hurrikan Teile des Landes. Manche von ihnen waren ein paar Wochen zuvor schon von einem anderen Tropensturm verwüstet worden. Die Not ist groß, Tausende Häuser sind zerstört, viele Menschen müssen in Schutzunterkünften schlafen, in denen nun auch noch erste Fälle von Covid-19 gemeldet werden.

Kritiker warfen dem Kongress vor, die Naturkatastrophen genutzt zu haben, um ungestört den umstrittenen Haushalt verabschieden zu können. Vielen Parlamentariern müsse klar gewesen sein, dass er zu Protesten führen könnte. Und ohnehin ist die Wut vieler Menschen im Land auf Politik und Eliten schon lange groß.

Hunderttausende verarmte Menschen haben Guatemala Richtung USA verlassen

Auf der einen Seite lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung Guatemalas unter der Armutsgrenze. Viele Kinder sind unterernährt, zu Hunger und Not kommen Tropenstürme und Kriminalität. Hunderttausende haben ihr Land schon in Richtung USA verlassen. Auf der anderen Seite steuert eine kleine Schicht aus einflussreichen Unternehmern und reichen Familien seit Jahrzehnten die wirtschaftlichen und politischen Geschicke des Landes - meist allerdings zu ihren eigenen Gunsten.

Aktuell wird Guatemala von Alejandro Giammattei regiert. Der konservative Politiker hat seinen Abschluss an einer Privatschule gemacht, er studierte Medizin, leitete die nationale Gefängnisverwaltung und ging dann in die Politik. 2020 übernahm er das Amt von einer von Korruptionsvorwürfen gebeutelten Vorgängerregierung. Giammattei versprach Wohlstand und ein Ende der Vetternwirtschaft. Aber kaum zwölf Monate nach seinem Amtsantritt fordern Tausende Guatemalteken seinen Rücktritt.

Nachdem das Parlamentsgebäude am Samstag in Brand gesteckt worden war, schrieb der Präsident auf Twitter, dass es zwar ein Recht auf Demonstration gebe; gleichzeitig aber drohte er allen mit der vollen Härte des Gesetzes, die öffentliches oder privates Eigentum verwüsten. Die Proteste in Guatemala zogen sich laut lokalen Medien bis spät in die Nacht. Und auch für die nächsten Tage sind Demonstrationen angekündigt.

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