Guantanamo-Häftlinge:"Obama soll die Gefangenenfrage lösen"

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Die CDU stänkert gegen Steinmeier, in der SPD sieht man die USA in der Pflicht: wie das Schicksal der Guantanamo-Gefangenen die Innenpolitik beschäftigt.

Die Bundesregierung prüft die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen nach der sich abzeichnenden Schließung des umstrittenen US-Gefangenenlagers auf Kuba. Die Bundesregierung bereite eine Entscheidung vor, die aber erst nach dem Amtsantritt des designierten US-Präsidenten Barack Obama im Januar anstehe, sagte Regierungssprecher Thomas Steg am Montag in Berlin.

Eine US-amerikanische Fahne vor einem Zaun im Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba (Foto: Foto: AFP)

Dabei handle es sich zudem um "kein spezifisch deutsches Problem". Die Frage könne "nur in europäischem Kontext und in Absprache mit allen EU-Mitgliedern" gelöst werden.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn wies im Gespräch mit sueddeutsche.de auf die Verantwortung der USA für die Gefangenen hin. "Bevor wir darüber diskutieren, ob Deutschland die unschuldig im Lager Guantanamo einsitzenden Häftlinge aufnimmt, sollte geklärt werden, ob sich nicht die USA um diese Menschen kümmern."

Es sollte das Verursacherprinzip gelten, sagte Griefahn, die Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages ist. "Die US-Regierung hat das Lager erfunden und die Gefangenen dorthin geschafft." Nun sei es an Washington, für deren Zukunft zu sorgen.

Bosbach: Steinmeier drängelt

"Ich hoffe, dass Barack Obama das Lager nicht nur schließt, sondern auch die Gefangenenfrage löst", sagte Griefahn. Wenn der künftige US-Präsident ein echtes Zeichen setzen wolle, solle er den Betroffenen eine Perspektive in den Vereinigten Staaten bieten und bei der Eingliederung in die amerikanische Gesellschaft helfen.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Wolfgang Bosbach, forderte ein deutsches Mitspracherecht im Falle einer Aufnahmeregelung, um etwa Sicherheitsbedenken im Vorfeld zu klären. Auch müssten die Gefangenen einen Bezug zu Deutschland haben.

Der CDU-Politiker kritisierte, dass sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vordrängele. "Es gibt kein offizielles Gesuch der USA, dass Deutschland Gefangene aufnehmen sollte", sagte Bosbach dem Handelsblatt laut Vorabbericht. "Die Frage des Verbleibs der Häftlinge ist zunächst einmal ein amerikanisches Problem."

Hamburg für Aufnahme "ungefährlicher" Gefangener

Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) forderte eine Einzelfallprüfung im Rahmen von Asylverfahren. "Deutschland darf nicht das Land werden, in das aus aller Welt Terroristen abgeschoben werden", teilte der Senator am Montag mit. "Wer jedoch nachweisbar unschuldig ist oder nach unserer Rechtsordnung seine Strafe abgesessen hat und ungefährlich ist, dessen Aufnahme nach Deutschland kann man prüfen", zitierte das Hamburger Abendblatt den Senator.

Michael Leutert von der Linken beklagte, die Diskussion sei viel zu spät aufgekommen. Schließlich gehe es um das Schicksal von nur wenigen Dutzend Menschen.

Am Wochenende hatte sich der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, dafür ausgesprochen, einige der Uiguren aufzunehmen, die in Guantanamo gefangen gehalten werden und nicht in ihre Heimat China zurückkehren können. Die muslimische Volksgruppe wird in ihrer Heimat nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen unterdrückt.

Nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung ist Steg zufolge unter den derzeit noch 2500 Gefangenen in Guantanamo kein deutscher Staatsbürger. Für Aufsehen hatte der Fall des Bremers Murat Kurnaz gesorgt, der fast fünf Jahre in Guantanamo zubrachte und bei den Verhören gefoltert wurde. Unter anderem der damalige Kanzleramtsminister Steinmeier hatte damals abgelehnt, Kurnaz zu übernehmen, obwohl die Amerikaner ihn nicht länger für einen islamistischen Terroristen hielten. Als Begründung wurde die türkische Staatsbürgerschaft von Kurnaz genannt.

Kurnaz sagte nun dem Kölner Stadt-Anzeiger, er würde inzwischen eine Entschuldigung der Bundesregierung für seine jahrelange Inhaftierung nicht mehr annehmen. "Obwohl die Amerikaner kurz nach meiner Festnahme gesagt haben, dieser Mann ist unschuldig und der deutschen Regierung angeboten haben, mich abzuholen, hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier dies einfach verneint", sagte Kurnaz. Deshalb habe er weitere vier Jahre in dem Gefangenenlager sitzen müssen. Er habe auf eine Entschuldigung gehofft. "Jetzt ist es zu spät dafür." Bereits im Herbst hatte Kurnaz in einem Interview mit sueddeutsche.de erklärt, er werde Steinmeier "nicht vergeben".

Das US-Verteidigungsministerium arbeitet an Plänen zur von Obama in Aussicht gestellten Schließung des Lagers. Aufnahmeländer müssen für diejenigen gefunden werden, die weder in ihre Heimat zurückkehren können noch in den USA bleiben wollen.

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